Köln – Magersüchtige haben meist das Gespür für ihren Körper und seine Bedürfnisse verloren. Ist die Krankheit chronisch, so erweist sie sich häufig auch im Rahmen einer Bewegungstherapie als unbeeinflussbar. Doch lassen sich bei schwächer Erkrankten einige Erfolge erzielen. Sie nehmen stärker an Gewicht zu, beschäftigen sich gedanklich weniger mit dem Essen und überwinden ihre Depression besser.

Alle Patientinnen – auch die chronisch Kranken – empfinden die Bewegungstherapie jedoch subjektiv als besonders wohltuend. Sie favorisieren sie gegenüber vielen anderen Therapiemaßnahmen. Zu diesem Ergebnis gelangt eine Studie, die Dr. Ralf Müller an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- -und Jugendalters an der Universität Köln ( www.uni-koeln.de/organe/presse/pi/index.html) erstellt hat.

Der Mediziner interviewte eine Gruppe von 10 stationär behandelten Patientinnen im Alter von 14 bis 17 Jahren. Er befragte sie zu ihren Essgewohnheiten, ihrer seelischen Verfassung, ihren körperlichen Beschwerden und der Wahrnehmung des eigenen Körpers. Die Befragten weisen, Dr. Müller zufolge, eine für Magersüchtige typische Symptomatik auf. Die Gedanken der Patientinnen kreisen ständig ums Essen, während sie sich mit Diäten, Abführmitteln oder Brechanfällen selbst kasteien. Oft umfängt sie eine tiefe Depression. Die Signale ihres Körpers, wie z.B. Hungergefühle, nehmen sie nicht mehr richtig wahr oder ignorieren sie. Dabei verleugnen sie den Zustand der körperlichen Auszehrung ebenso beharrlich, wie die seelischen Konflikte, die ihrer Krankheit zugrunde liegen.

Stärkung des Selbstvertrauens

Im Rahmen der Bewegungstherapie gilt es, so Dr. Müller, den Betroffenen wieder ein Gefühl für den eigenen Körper zu vermitteln. Sowohl körperliche als auch psychische und soziale Kompetenzen sollen auf diese Weise gefördert werden. Vorwiegend geht es um die Stärkung des Selbstvertrauens, der Autonomie und der allgemeinen Leistungsfähigkeit. Die Patientinnen sollen überdies aus ihrer sozialen Isolation befreit werden. In Einzelübungen und in der Gruppe erproben die Patientinnen schrittweise die Möglichkeiten ihres Körpers. Übungen, bei denen es darum geht, den eigenen Körper zu erspüren oder sich bewusst im Raum zu bewegen, stehen dabei ebenso auf dem Programm wie Partnerübungen, das Training an einfachen Geräten sowie Fitness- und Gymnastikeinheiten. Daneben kommt Entspannungstechniken, wie z.B. der "Reise durch den eigenen Körper", eine große Bedeutung zu.

Mit zunehmendem Gewicht schwinden die Depressionen

In der PatientInnengunst stehen solche Übungen weit über dem Gruppengespräch oder der Musiktherapie. Das einzige Therapieelement, das eine ähnlich positive Resonanz erfährt, ist das Einzelgespräch. Im Laufe der Therapie reduzieren sich die körperlichen Beschwerden bei den Betroffenen zunehmend. Darüber hinaus beschäftigen sie sich gedanklich weniger mit dem Essen. Mit zunehmendem Gewicht schwinden die Depressionen.

Unzufriedenheit mit dem Körper bleibt

Doch obgleich im Rahmen der Therapie eine größere Vertrautheit mit dem eigenen Körper aufgebaut wird, bleibt die Unzufriedenheit mit den eigenen Körperdimensionen bei nahezu allen Betroffenen bestehen. Das Gefühl, zu dick zu sein, steigt überproportional zum Gewicht sogar an. Die Körperbildstörung – als wichtiger Krankheitsfaktor – ist also überaus konstant. (pte)