Foto: Standard/Christian Fischer
Bonn/Berlin - Die Betrugsaffäre bei der obersten deutschen Finanzaufsicht (BaFin) weitet sich aus und bringt deren Chef Jochen Sanio zunehmend unter Druck. Die Bonner Staatsanwaltschaft ermittle insgesamt gegen sechs Beschäftigte bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, bestätigte Oberstaatsanwalt Fred Apostel am Montag der dpa in Bonn. Der durch einen leitenden Beamten im IT-Bereich verursachte Schaden belaufe sich mittlerweile auf mehr als 4 Mio. Euro. In den anderen Fällen gehe es um Betrug bei Anstellungen - etwa Stellenbesetzung mit Freunden - und Untreue in der Behörde.

Das deutsche Finanzministerium, dem die BaFin unterstellt ist, äußerte sich besorgt über mögliche schwere Versäumnisse. Der Befund eines Gutachtens von Wirtschaftsprüfern sei als "sehr, sehr ernst" einzustufen, sagte Ministeriumssprecher Torsten Albig in Berlin. Die BaFin erklärte, sie wolle sich in der Angelegenheit nicht äußern. "Unsere Ansprechpartner in dieser Sache sind die Kontrollgremien der BaFin, nämlich das Bundesfinanzministerium und der Verwaltungsrat", sagte ein Sprecher.

Offene Fragen

Mitglieder des Verwaltungsrates verwiesen auf noch etliche offene Fragen. Es sei zu früh, um Konsequenzen zu ziehen oder über eine mögliche Abberufung von Sanio zu spekulieren. Die BaFin kontrolliert Banken, Versicherer und den Aktienmarkt.

Die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PwC) haben nach nach Angaben des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" der BaFin-Führung mangelnde Kontrollen im eigenen Haus bescheinigt. Unter anderem habe es bei der BaFin kein zentrales Vertragsmanagement gegeben, Prüfungen der IT-Beschaffung seien mehrere Jahre nicht durchgeführt worden. Das Fehlen einer zentralen Kontrollinstanz habe es ermöglicht, dass ein Mitarbeiter Millionen habe veruntreuen können.

Anklage in Bälde

Mit einer baldigen Anklage gegen den geständigen Beamten sei zu rechnen, sagte Apostel. Dem Mann, der im April verhaftet wurde und derzeit von der Haft verschont ist, würden Untreue, Betrug, Bestechlichkeit, Bestechung und Steuerhinterziehung vorgeworfen. Der frühere Referatsleiter soll zusammen mit Partnern aus Firmen Scheinrechnungen für IT-Software ausgestellt haben. In den anderen Fällen gegen fünf weitere BaFin-Beschäftigte - alle aus dem IT- Bereich der Behörde - werde wegen Betrugs und Untreue noch ermittelt.

Nach "Spiegel"-Informationen steht die Entlastung von Sanio für das Jahr 2005 durch den Verwaltungsrat noch aus. Dem Gremium, das von Finanzstaatssekretär Thomas Mirow geleitet wird, gehören neben weiteren Ministeriumsvertretern auch Bundestagsabgeordnete sowie Vertreter der Kreditinstitute, von Versicherungsunternehmen sowie von Kapitalanlagegesellschaften an. Die nächste Verwaltungsratssitzung ist bisher für den 26. September geplant. Die Leitung der BaFin werde sich bei dieser Sitzung äußern, sagte ein Sprecher in Bonn.

Der finanzpolitische Sprecher der Union, Otto Bernhardt (CDU), sagte, "das bisher vorliegende Material reicht für eine abschließende Meinungsbildung nicht aus." Es gebe noch eine Reihe ungeklärter Fragen, sagte das Mitglied des Verwaltungsrates. Es sei daher völlig offen, ob es bei der nächsten Sitzung des Verwaltungsrates zu einer Entlastung von Sanio komme oder nicht. (APA/dpa)