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Die Kripo-Ermittlungen zum Libro-Konkurs sind nach vier Jahren abgeschlossen.

Foto: APA/Harald Schneider
Wien - Die Ermittlungen des Landeskriminalamtes Niederösterreich, Ermittlungsbereich Wirtschaftskriminalität, zum Libro-Konkurs 2002 sind nach vier Jahren abgeschlossen. Zwölf Aufsichtsräte rund um den ehemaligen Aufsichtsratspräsidenten der Libro AG, Kurt Stiassny, die ehemaligen Vorstände André Rettberg und Johann Knöbl sowie vier Wirtschaftsprüfer der Kanzleien Auditor und KPMG wurden von der Kripo bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt wegen Verdachtes auf Betrügerische Krida, Untreue und Bilanzfälschung angezeigt. Den Verdächtigen droht bis zu zehn Jahren Haft. Das berichtet das Nachrichtenmagazin "Format" in seiner morgen, Freitag, erscheinenden Ausgabe. Alle betroffenen einstigen Organe der Libro-AG weisen die Darstellung der Kripo gegenüber "Format" zurück. Für sie gilt die Unschuldsvermutung.

250 Seiten Strafanzeige

Dem Magazin liegt eigenen Angaben zufolge eine in vier Schriftsätze unterteilte Strafanzeige mit 250 Seiten Umfang vor. In dem Dokument heißt es wörtlich: "Die Vorstände der Librodisk Handels AG (Libro AG), André Maarten Rettberg (Vorstandsvorsitzender), Johann Knöbl (Finanzvorstand) und die Aufsichtsräte der Libro AG, Kurt Stiassny (Aufsichtsratsvorsitzender), Christian Nowotny (Vize-Aufsichtsratsvorsitzender) sowie die Wirtschaftsprüfer der Libro AG, Bernhard Huppmann (Auditor Treuhand GmbH.)und Michael Vertneg (Auditor Treuhand GmbH) und die Gutachter Gottwald Kranebitter (KPMG) und Friedrich Lang (KPMG) sind verdächtig, in bewusstem und geplantem Zusammenwirken im Jahresabschluss der Libro AG für das Geschäftsjahr 1998/99 (per 28. Februar 1999)) die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft absichtlich verfälscht dargestellt bzw. unrichtig wiedergegeben und falsche Angaben gemacht zu haben, indem sie erhebliche Umstände verschwiegen, ergebniswirksame Anpassungen/Wertberichtigungen nicht durchgeführt und ungerechtfertigte Aufwertungen vorgenommen haben, um damit eine der Höhe nach ungerechtfertigte Dividendenausschüttung zu ermöglichen."

Anleger wurden offenbar getäuscht

Die Kripo gehe bei der Strafanzeige davon aus, dass Aufsichtsräte, Vorstände und Wirtschaftsprüfer die Libro-Bilanz 1998/99 gezielt manipuliert haben, auf deren Basis eine Sonderdividende in Höhe von 440 Millionen Schilling ausgeschüttet worden war, und die als Grundlage für den Börsengang gedient hatte. Statt der dargestellten hohen Gewinne habe Libro schon damals 25 Millionen Schilling Jahresverlust geschrieben. Die Anleger wären damit dazu verleitet worden, unwissentlich in ein defizitäres Unternehmen zu investieren. Kurt Stiassny dazu gegenüber "Format": "Die Vorwürfe sind herbei konstruiert. Sie sind unter anderem durch zahlreiche von uns in Auftrag gegebenen Studien widerlegt."

Schadenersatzforderungen

Sollte die Anzeige vor Gericht bestehen, drohen den Beteiligten nicht nur Haftstrafen, auch Schadenersatzforderungen auf Basis der Prospekthaftung. Klagen gegen Organe, Prüfer und Banken könnten tausende Kleinaktionäre, die insgesamt 1,1 Milliarden Schilling investiert hatten. Auch die Telekom Austria, die für eine Sperrminorität an Libro auf Basis einer mutmaßlich falschen Bilanz 1,2 Milliarden Schilling gezahlt hatte, wäre als börsennotierter Konzern gezwungen, das Geld zurückzufordern.

Brisant ist die Causa auch deshalb, weil mit Kurt Stiassny und Christian Novotny zwei Prominente der österreichischen Wirtschaft im Mittelpunkt der Anzeige stehen. Stiassny ist Chef der UIAG (Unternehmens Invest AG) und bereitet derzeit den Börsengang des Büromöbel-Herstellers Bene vor. Nowotny gilt als Koryphäe im Aktien-, Wirtschafts - und Handelsrecht und lehrt als Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien. In der Anzeige heißt es laut "Format" wörtlich: "Aufgrund der vorliegenden zahlreichen Zeugenaussagen und sichergestellten Unterlagen besteht der begründete Verdacht, dass in der vorliegenden Struktur sämtliche Kontrollorgane (Wirtschaftsprüfer, Aufsichtsrat) nicht nur versagt, sondern konkret an der Verwirklichung tatbildmäßiger Erfolge mitgewirkt haben."

Neue Probleme für Rettberg

Auch für den einstigen Libro-Shootingstar André Rettberg, der wegen Verschleierung seiner Vermögensverhältnisse nach dem Konkurs bereits zu drei Jahren teilbedingter Haft (acht Monate unbedingt) verurteilt wurde, bringe die Anzeige neue Probleme. Er soll unter anderem über einen Treuhandvertrag zehn Prozent an der Pagro Handels Ges.m.b.H. bzw. am Papier Centers Walter Babel GmbH, die bis zuletzt ein Hauptlieferant von Libro war, gehalten haben. Diese Firma soll Libro zu Preisen beliefert haben, die bis zu 25 Prozent über dem Marktüblichen lagen. Rettberg hat diesen Vorwurf in der Vergangenheit mehrfach zurück gewiesen, schreibt das Nachrichtenmagazin.

Sittenbild

Die Anzeige zeichnet auch ein dramatisches Sittenbild über die Zustände bei der Libro AG vor dem Konkurs. So sei eine mit Rettberg befreundete Familie als "Trend-Scout" nach Paris gereist und habe Libro darüber nach Besuchen von Disneyland, einer Buffalo Bill Wild West Show oder eines neuen McDonalds an der Champs Elysees 497.660 Schilling "Leistungshonorar" verrechnet. Eine Dokumentation dazu fanden die Ermittler nicht. "Fotos waren ausschließlich im Familienalbum abgelegt", heißt es in der Strafanzeige trocken. Ein Beweis für persönliche Bereicherung Rettbergs oder anderer Organe liege damit noch nicht vor, schreibt "Format". Rettberg, für den in der Causa die Unschuldsvermutung gelte, habe mehrfach betont, sich im Zuge des Libro-Konkurses nicht persönlich bereichert zu haben. (APA)