Ab Mittwoch Nachmittag 16.30 Uhr durfen "Krone" und "News" ihre Interviews mit Kampusch vermarkten. ORF On zeigte daraufhin wie andere Onlinedienste Cover dieser Blätter mit dem Foto Kampuschs. Die scheidende ORF-Generalin Monika Lindner untersagte das nach Informationen des STANDARD Mittwochnachmittag per Weisung an den Onlinedirektor.

Mögliche Erklärung: Der öffentlich-rechtliche ORF ist angehalten, nicht für Printmedien zu werben. Doch im Gefolge ihres Auftrags an den Onlinechef verbat Lindner sich auch die geplante und mit Kampuschs Beratern ausverhandelte Ankündigung für das "Thema spezial" in der "ZiB 1". Ein Rätsel für viele ORFler - es ging aber eine Ankündigung auf Sendung.

Nach der Weisung zu Kampusch herrscht unter den ORF-Redakteuren Unmut: In einer Stellungnahme der Redakteursvertreter heißt es, dass eine "Hauslinie" Journalismus nicht verhindern dürfe.

Aussendung des ORF-Redakteursrats im Wortlaut

"Die ORF-Geschäftsführung verlangte Mittwoch nachmittags von den ORF-Journalisten allen Ernstes über die ersten Print-Interviews Natascha Kampuschs nicht vor 20:15 Uhr zu berichten, also rund vier Stunden lang öffentlich zugängliche, wahrlich weltweit mit Spannung erwartete Aussagen zu ignorieren. Begründet wurde das mit einer 'ausgegebenen Hauslinie'.

Die ORF-Journalisten haben ihre gesetzlich garantierte Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit trotzdem weitgehend zu wahren gewusst. Den absurden Versuch journalistisches Handeln zu verhindern macht das aber nicht ungeschehen. Und darüber wird noch ausführlich zu diskutieren sein. Jedenfalls werden sich die ORF-Journalisten auch weiterhin von niemandem - auch nicht von der eigenen Geschäftsführung - daran hindern lassen ihren Beruf nach professionellen und ethischen Kriterien, nach den Regeln des Gesetzes, des Redakteursstatuts und der Programmrichtlinien und nach keinerlei anderen Vorgaben auszuüben." (fid/DER STANDARD; Printausgabe, 7.9.2006)