Wien - Gegen eine Abschaffung der Klinischen Abteilung Arbeitsmedizin an der Medizin-Uni Wien (MUW) demonstrierten heute, Donnerstag, Gewerkschafter und Arbeitsmediziner vor dem Bildungsministerium. Ministerin Elisabeth Gehrer (V) wurde aufgefordert, für einen Ausbau der arbeitsmedizinischen Forschung zu sorgen, heißt es in einer Aussendung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB). Die MUW hat mehrfach betont, dass Arbeitsmedizin als Ambulanz, Forschung und Lehre zu diesem Fach unter neuer Organisation sehr wohl weiter geführt würden.

Gesundheitliche Schäden durch Arbeit

Bereits über ein Drittel aller Krankheiten bei Arbeitnehmern seien berufsbedingt, Tendenz steigend, sagte Erich Foglar, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Metall-Textil-Nahrung. "Vor diesem Hintergrund die arbeitsmedizinische Forschung abzuschaffen oder auf verschiedene andere Abteilungen aufzuteilen halten wir für unverantwortlich". Mit der Schließung der Abteilung an der MUW wäre Österreich die einzige Industrienation der Welt ohne derartige universitäre Einrichtung.

Druck steigt

"Die Arbeitswelt ist in den vergangenen zehn Jahren deutlich härter geworden, die gleiche Arbeit wird auf immer weniger Menschen aufgeteilt und sie sollen immer länger arbeiten", erklärte Hugo Rüdiger, derzeit noch Leiter der Arbeitsmedizinischen Abteilung in Wien. Das bringe viele Probleme, die nur mit wissenschaftlicher Begleitung zu lösen seien.

Der ÖGB fordert von Gehrer in einem offenen Brief den Ausbau der Arbeitsmedizin in Österreich. Es müsse auch weiterhin universitäre Abteilungen geben, die sich mit angewandter Forschung zur Prävention von arbeitsbedingten Erkrankungen befassen. Diese sollten mit Sozial-, Pensions-, Unfallversicherungen und Krankenkassen kooperieren.

"Wichtige Einrichtung gestrichen"

Dem Protest angeschlossen haben sich SPÖ, Grüne und Arbeiterkammer (AK). SPÖ-Wissenschaftssprecher Josef Broukal kritisierte namentlich Gehrer, Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (V) und Arbeitsminister Martin Bartenstein (V) als mit dem Thema Arbeitsmedizin befasste Ressortchefs. Diese würden "den Kopf in den Sand stecken". Einerseits müssten Menschen immer länger arbeiten, andererseits würde nun eine wichtige Einrichtung zur gesundheitlichen Vorsorge gestrichen.

Für den Sozialsprecher der Grünen, Karl Öllinger, hinkt Österreich in Sachen Arbeitsmedizin schon seit Jahren dem internationalen Standard hinterher. Wo nicht geforscht und gearbeitet werde, könnten auch keine entscheidenden Impulse für die Gesundheit der Menschen gesetzt werden, so der Mandatar.

Kosten in Milliardenhöhe

Für Alexander Heider von der AK Wien ist von den Schließung der Abteilung Arbeitsmedizin nicht nur die Forschung, sondern auch die Ausbildung von Arbeitsmedizinern direkt betroffen. Dabei sind für Heider "mehr als die Hälfte aller Erkrankungen" arbeitsbedingt, Kosten: mehr als drei Milliarden Euro. Als eine Ursache für die Misere ortet der AK-Experte unter anderem die Ausgliederung der Unis, ohne für ausreichende Budgetmittel zu sorgen. Außerdem gebe es keine österreichweiten Entwicklungspläne für Lehr- und Forschungsschwerpunkte.

Umstrukturiert, nicht abgeschafft

Die MUW betonte, dass von einer Abschaffung oder Schließung der Arbeitsmedizin keine Rede sein könne. Es handle sich vielmehr um eine Umstrukturierung. Die forschungsmäßige Einbindung der Arbeitsmedizin in den Public Health-Bereich in Verbindung mit einer arbeitsmedizinischen Ambulanz werde von internationalen Experten als "idealer Zustand" bezeichnet. In Richtung ÖGB wird kritisiert, dass kein Vertreter das Gespräch mit dem Rektor gesucht habe.

"Panikmache"

Auch für ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger ist die arbeitsmedizinischen Versorgung in Österreich nicht gefährdet, die SPÖ betreibe Panikmache. Die MUW habe eine neuerliche Ausschreibung einer Professur für Arbeitsmedizin im Rahmen ihrer Autonomie angekündigt, so der Mandatar. (APA)