Das Einfamilienhaus in Strasshof hat rund 160 Quadratmeter Grundfläche und einen großen Garten

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Das "Horrorschloss", das zwei Jahre im Besitz des Serienmörders Michel Fourniret war. Im Garten wurden Leichen entdeckt. Foto: Reuters

Foto: REUTERS/Pascal Rossignol
Wien - Der Vorschlag, das Haus in der Strasshofer Heinestraße, wo Natascha Kampusch achteinhalb Jahre gefangen gehalten wurde, zu verkaufen und einen Teil des Erlöses der 18-Jährigen als Schadenersatz zukommen zu lassen, beschäftigt derzeit Juristen (siehe Artikel unten). Wenn es überhaupt möglich wäre, bliebe immer noch die Frage, ob die Immobilie überhaupt jemand haben will. Häuser, in denen Verbrechen verübt wurden, sind schwer zu vermitteln.

Auch gegenteiliger Effekt denkbar

Das Haus wurde in den späten 70er-Jahren gebaut, hat eine Grundfläche von 160 Quadratmetern, das gesamte Grundstück misst rund 1160 Quadratmeter. "Strasshof ist eine mittlere Gegend, gute Verkehrsanbindung an Wien, aber nicht gerade ein Schmuckstück im Weinviertel. Wenn das Haus gut in Schuss ist, könnte ein Verkaufswert zwischen 145.000 und 180.000 Euro erzielt werden", heißt es auf Standard-Anfrage bei der Firma Immotreu Immobilien, die derzeit mehrere andere Objekte im Bezirk Gänserndorf im Angebot hat. Zusatz: "Unter normalen Bedingungen." Dass das Haus mit einem mutmaßlichen Verbrechen behaftet sei, könnte eine Wertminderung bedeuten. "Aber wer weiß, vielleicht bewirkt das Geschehene auch das Gegenteil", so der Immobilienmakler.

Mit "Tatort zu verkaufen" machen Makler jedenfalls weltweit eher wenig Geschäft. Viele Häuser, in denen Morde begangen wurden, stehen jahrelang leer. Oder werden, wie im Fall des US-Serienkillers und Kannibalen Jeffrey Dahmer, überhaupt abgerissen. Dort, wo das Gebäude, in dem das "Monster von Milwaukee" Anfang der 90er-Jahre die meisten von insgesamt 17 Opfern umgebracht hatte, stand, klafft bis heute ein Loch in der Häuserzeile.

Straße umbenannt

In Ranch Santa Fe im US-Bundesstaat Kalifornien gingen die Stadtväter sogar noch ein Stück weiter. Sie rissen nicht nur das Gebäude ab, in dem vor neun Jahren 39 Mitglieder der Sekte "Heaven's Gate" kollektiv Suizid begangen hatten. Auch die Straße wurde von "Colina Norte" auf "Paseo Victoria" umbenannt.

Andere "Horrorhäuser" wechseln oft die Besitzer. Laut einem Bericht von USA Today steht derzeit wieder das Haus in Boulder (Colorado), in dem vor zehn Jahren die sechsjährige JonBenet Ramsey ermordet aufgefunden worden war, wieder zum Verkauf. Seit dem Mord an der kleinen Schönheitskönigin hat das representative Anwesen viermal die Besitzer gewechselt. "Es ist einige Millionen Dollar wert, aber wir müssen es um 1,7 Millionen anbieten", sagt Joel Ripmaster, der Chef der Immobilienfirma Realtors. "Die Geschichte kann ein Traumhaus in ein Albtraumhaus verwandeln", meint Ripmaster.

In vielen Fällen können Verbrechenshäuser ihre schaurige Vergangenheit nie mehr abschütteln. Selten, aber doch schlagen die Besitzer daraus Kapital: Das Haus in Holcomb im US-Bundesstatt Kansas, in dem 1959 die vierköpfige Clutter-Familie auf grauenvolle Weise umgebracht worden war, ist immer noch Ziel von "Horrortouristen". Auf Sonntagsausflügen bezahlen sie fünf Dollar Eintritt, um den Tatort, der später durch Truman Capotes Tatsachenroman "Kaltblütig" weltberühmt wurde, zu besichtigen. Jahrelang hatten die heutigen Besitzer sich gegen die "Gänsehauttouristen" gewehrt, bis sie schließlich aufgaben und ihr Zuhause einmal pro Woche zugänglich machten.

Mörderisches Schloss

Im Fall des Serienmörders Michel Fourniret ist es gleich ein ganzes Schloss , das seinen schrecklichen Ruf wohl nie mehr los werden wird. Fourniret hatte das Schloss Sautou, fünf Kilometer südlich der französisch-belgischen Gren-ze in einer abgelegenen Hügellandschaft gelegen, 1988 gekauft. Laut der Zeitung Le Figaro blätterte er für das damals heruntergekommene Jagdschloss und das zugehörige 15 Hektar große Grundstück rund zwei Millionen Francs (umgerechnet rund 300.000 Euro) hin. 1990 verkauft er es wieder, erst Jahre später fand man auf dem Anwesen die Leichen von ermordeten Mädchen. Was auch das Aus für das zu dieser Zeit im Schloss etablierte Luxushotel bedeutete. Seit zwei Jahren befindet sich der ehemalige Tatort in Privatbesitz, über den Verkaufspreis wurde nichts bekannt.

In zumindest einem Fall hat die mördersiche Geschichte einer Immobilie den Preis angekurbelt: Das riesige Anwesen in Miami, vor dem im Jahr 1997 der Modedesigner Gianni Versace erschossen worden war, beherbergt heute ein Hotel und einen der angesagtesten Clubs der Stadt. Der Deal war den neuen Inhabern vor sechs Jahren 19 Millionen Dollar wert - die höchste Summe, die bis dahin für ein Haus in Miami bezahlt worden war. "Der Umstand, dass Versace dort gelebt hat und ermordet worden ist, hat für die Immobilie definitiv eine enorme Wertsteigerung bedeutet", wird Carlos Justo, der zuständige Agent der Sotheby's International Reality, in USA Today zitiert. Der Ansturm auf das Anwesen in Miami sei enorm gewesen. Sogar ein saudi-arabischer Prinz habe damals mitgeboten. (Michael Simoner, DER STANDARD Printausgabe, 29.09.2006)