Salzburg - Geifernder Gauch statt nassem Neptun: Es wagnert wonniglich in Richard Strauss' Bearbeitung von Mozarts Idomeneo. Er hat (1930/31) die Rezitative gestrichen oder, von üppigem Orchester begleitet, neu komponiert ("Ich finde das Mozart'sche Seccorezitativ keine sehr glückliche Kunstform"). Ein Interludium im zweiten Akt und ein Wallhall-würdiges Ensemble als Schlussapotheose bringen Sound in den dürren Mozartklang.

Strauss scheint ehrlich überzeugt gewesen zu sein, Mozart und seiner Musik einen Gefallen zu tun und dem "mozarthungrigen deutschen Volke was Gott weiß für ein schönes Geschenk gemacht zu haben".

Akteinteilung und Nummernfolge sind umgestellt. Statt der verzweifelt liebenden Elettra verfolgt die fundamentalistische, auf Rassenreinheit bedachte Neptun-Priesterin Ismene (sie weihte sich dem Gott, nachdem Idamante sie abblitzen ließ) die Liebenden mit ihrem Hass. Sonst erzählt Strauss-Librettist Lothar Wallerstein durchaus die Geschichte vom Kriegsheimkehrer Idomeneo, der in Seenot dem Meeresgott verspricht, den ersten Menschen zu opfern, dem er am Heimatstrand begegnet und just den Sohn antrifft. Nur erzählt Wallerstein eben auf Deutsch, was pseudo-klassizistisch unbeholfen klingt: "Ich, der Vater, sollte opfern, was mir allein noch auf Erden teuer, des Sohnes Leben" oder "Erlass' dem Volke, dem schwer von dir geprüften, die Strafe und spende Gnade, Trost und Ruhe", klagt und fleht etwa Idomeneo.

Die abgründige Feinheit von Mozarts Musik ist mit Pauken und Trompeten (genauer 4 Hörnern, 2 Trompeten, 3 Posaunen und Pauken) im Sturm untergegangen.

Dennoch: Die konzertante Aufführung in der Felsenreitschule war spannend und interessant - als Begegnung mit einem musikhistorischen Kuriosum.

Fabio Luisi leitete die Sächsische Staatskapelle Dresden mit Verve und Elan, schöpfte in Klang und Geste aus dem Vollen, bescherte opulente, doch fein angerichtete und garnierte Genüsse. Aufregend Fabio Luisis Lautstärkendramaturgie, die den Klangmoloch nicht nur bändigte, sondern sogar zum Tänzeln brachte.

Solide der Chor der Sächsischen Staatskapelle Dresden und das Sänger-Ensemble: Robert Gambill als Idomeneo (kräftig stemmend, nasal), Britta Stallmeister als Ilia (klanglich intensiv und fein im Piano), Christoph Pohl als Arbaces (hervorragend in Klang und Textdeutlichkeit), Iris Vermillion als Idamantes (gestalterisch souverän bei starkem Vibrato), Camilla Nylund als Ismene (rollengemäß hysterisch, oft schrill in der Höhe) und Jacques-Greg Blobo als Oberpriester (von charismatisch profunder Tiefe).

Festspiele sind Luxus, Luxus ist, sich das Überflüssige zu gönnen, und etwas Überflüssigeres als diesen Strauss- Idomeneo gibt es nicht. (Heidemarie Klabacher, DER STANDARD; Printausgabe, 28.8.2006)