Guido Gluschitsch am Pannonia-Ring oder: Wenn man unerwartet von hinten geschnupft wird, dann tut das schon ein bisserl weh.

foto: gluschitsch

Das Ganze müssen S’ Ihnen so vorstellen. Da sind diese beiden Rechtskurven. Wenn man sie schön auf Zug darwischt, kann man sie in einem durchfahren. Der Grip dort ist herrlich. Also runter aufs Knie. Und alles in einem Schwung durch. Da kann ich nicht widerstehen. Am Kurvenausgang schau ich auf den Tacho. 138 km/h. Und das fühlt sich nicht einmal sonderlich schnell an. Auf der Geraden schaffe ich mit meinem Motorrad über 200 km/h – bis zur nächsten scharfen Rechtskurve. Tja, und jetzt steh ich da neben dem Kieberer.

Er lehnt lässig an seinem Motorrad und schüttelt den Kopf, schaut mir in die Augen und meint: "Du musst früher ans Gas, sonst wird das nix." Das hätte ich mir auch nicht gedacht, dass ich von einer weißen Maus, so nennen sich die Motorradpolizisten in Österreich, jemals diese Worte hören würde. Na gut, Christian ist nicht nur Mopettencop, sondern auch Instruktor bei Stardesign Racing am Pannonia Ring. Aber trotzdem. Skurril ist das schon.

Ich bin also am Pannonia Ring. Karl Houdek, Chef von Stardesign, hat mich eingeladen. Und aus irgendeinem Grund auch die Floh. Optischer Aufputz, nehm ich einmal an. Und allein bin ich ja eh nicht zu ertragen. Gemeinsam mit der Floh bin ich wenigstens im Durchschnitt fesch. Und im Durchschnitt sogar schneller.

Der Tag am Ring beginnt mit einer theoretischen Einführung der Ringneulinge. Dort werden zuerst einmal die wichtigsten Fragen zum Thema Fahren auf der Rennstrecke beantwortet. Danach gibt es drei Instruktorrunden mit Christian. Genau, der Kieberer. Er fährt mit seiner Polizei-Fireblade vor. So tut man sich leichter, die Linie zu lernen. In jeder Runde fährt er etwas schneller. Aber stets in einem Tempo, dass auch Ringfrischlinge wirklich an ihm dran bleiben können.

Stardesign steht überhaupt für Ringneulinge. Charly Houdek und sein Team haben sich ganz auf die Einsteiger und Hobbyfahrer eingeschworen. Sie bieten Vollvaserln wie mir auch die Chance, mal Rennluft zu schnuppern. Perfekte Organisation. Alles tiptop. Was ja ganz wichtig ist, wenn man was Neues anfängt. Die Stardesigner stehen immer mit dem richtigen Rat zur Seite und werfen einen am Ring nicht gleich den anderen zum Fraß vor.

Die Floh hat auch bei Stardesign zu fahren begonnen. Und sie fährt heute noch dort. Also gibt es viele sehr schnelle Leute beim Charly, aber die wissen eh, dass sie auf Kurvenparker wie mich aufpassen müssen. Und das tun sie auch ganz brav. Weil wissen S’, wenn man unerwartet von hinten geschnupft wird, dann tut das schon ein bisserl weh. Charly teilt, je nach bereits erreichten Rundenzeiten, die Fahrer einzelnen Gruppen zu. So sind die flotten Fahrer unter sich und die Ring-Kinder wie ich dürfen auch in Ruhe spielen.

Floh fährt mir ein paar Runden vor. Ganz gemütlich. Ich beginne, mir die Strecke zu merken, und die Linie. Wie man die vierte Kurve rechts anzufahren hat. Wo man am besten wieder raus kommt, damit auch die nächste links nicht gleich zum Abflug führt. Floh macht das ganz gut. Auch sie wird von Runde zu Runde zu schneller. Erst acht Sekunden, dann weitere sieben, dann noch einmal fünf Sekunden. Irgendwann muss ich sie dann ziehen lassen. Ich würge den Gasgriff meines Motorrades wie einen Wischfetzen beim Badputzen. Doch das alles hilft nichts. Die Floh ist auf und davon.

Nach fünf Runden fahren wir wieder in die Boxenstraße. Ich komm halt erst an die Box, als die Floh schon eine halbe Flasche Wasser geleert hat. (Trinkt sie so langsam? Anm. d. Frau Lektorin). Macht mir aber überhaupt nix, dass mich der Zopferl-Helm dauernd herbrennt. Gar nichts.

Aber es taugt mir voll, dass ich seit der zweiten Runde dauernd mit dem Knie schleife. Auftrag glich von Beginn an ausgeführt. Und da giftet sich die Floh schon recht. Weil sie "fährt mir zwar wild um die Ohren, aber nicht am Knie. "Das ist demütigend", sagt sie, "da kratzt vor mir in Zeitlupe mit dem Knie ums Eck. Ich bin zwar schneller, aber ich krieg die Haxen nicht am Boden." Was ich ihr nicht verrate: dass ich bei meiner Größe und meinen langen Schwarteln wohl auch auf der Geraden mit den Pads schleifen könnte.

>>> Überraschung!

Am Vormittag fahren wir drei Törns. Dazwischen machen wir immer ein wenig Pause. Zu Mittag setzen wir länger aus. Mittagsschlaferl. Die beste Rundenzeit des Vormittags bestimmt den Startplatz für das Sternchen-Race. Welch Wunder – ich werde vom letzten Platz starten. Floh wird, nona, irgendwo vor mir stehen. Zweimal verlassen wir am Nachmittag noch die Box, um zu trainieren. Floh lässt mich vor ihr raus fahren. Ich prügel mein Eisen über die Strecke, schlag ihr das Türl zu, wann immer es geht. Bringt aber gar nichts. Spätestens auf der Start-Ziel-Geraden lässt Floh mich stehen als wäre ich ein Autostopper am Pannonia Ring.

Aber auch der Nachmittag bietet so seine Überraschungen. Die Floh ist schon wieder einmal eine halbe Runde vor mir und dreht sich wohl gerade vergebens auf der Start-Ziel nach mir um, als ich auf eine MV Agusta auflaufe. Eine F4. Jö, schau.

Die bin ich doch auch schon einmal gefahren. Und ich weiß noch ganz genau, wie sich die F4 fahren lässt. Ein Traum, das Motorrad. Deswegen überhol ich sie auch nicht. Weil wenn ich den Kerl jetzt in der nächsten Kurve überhole, denk ich mir, ist das genau das, was er sich von mir erwartet. Und dann haut er mir pro Runde zweimal den Hintern aus, bis mir schwindlig wird. Das müsste mit der F4 locker zu schaffen sein, wenn die Floh mit ihrer 600er schon Ringerl um mich fährt.

Drei Kurven später ist es mir dann aber zu blöd. Er fährt die enge Links, die mir eh so taugt, viel zu weit innen an und legt wieder einmal nicht g’scheit um. Da bleibt so viel Platz zwischen ihm und den Curbs, dass ich einfach nicht anders kann. Ich fahre weit außen an und fräse am Knie, innen, an der F4 vorbei.

Es trägt mich weit nach außen, die nächste Links, Rechts, und jetzt nur nicht zu früh die scharfe Rechts anbremsen, sonst schnalzt er mich mit der MV Agusta her. Wahh. Geschafft. Eine F4 gerichtet. Ich Eierbär hab eine F4 gerichtet. Da hat es mir dann gar nichts ausgemacht, dass mich auf der Start-Ziel-Geraden gleich wieder fünf oder sechs Nipponeisen durchgereicht haben wie mein Opa das Opferkörberl in der Kirche.

Voll motiviert steh ich am Start zum Sternchen-Race. Die Aufwärmrunde war wirklich eine solche. Es ist mir ganz schön heiß, als ich endlich an meinem Platz stehe, weil es gar nicht so einfach war, in dem Törn am Feld zu bleiben. Da können S’ Ihnen dann vorstellen, wie die Buben und Mädels erst andrücken, wenn es um den Pokal auf dem Tischerl in der Boxenstraße geht. Die Floh und ich hatten unsere eigene Taktik.

Wir warten einmal, bis sich alle in einem Pulk versammeln und durch die erste Kurve kommen. Dann fahren auch wir los. Gut die Hälfte der Zuschauer schaut auf uns, wie wir am Start mit verschränkten Händen auf unseren Eisen sitzen, während es vorne laut und gefährlich wird. Echt arg, so viel Aufmerksamkeit.

Ich spiel dann aber doch ein bisserl falsch und fahre vor der Floh los. Na ja, wenn man einen guten Start erwischt, kann man leicht einmal einen Platz gut machen, denk ich mir. Ich tschukle also mutterseelenalleine meine Runde – auf der letzten Rille, eh klar.

Vor mir ist schon lange niemand mehr. Und dass die Floh noch hinter mir ist, kümmert mich nicht weiter. Hätte es aber sollen. Denn als ich in die zweite Runde fahre, bin ich schon wieder Letzter.

Und als solcher laufe ich auch ins Ziel ein, bin aber unendlich stolz auf mich, weil es von den Vollwapplern, die anscheinend alle nicht g’scheit fahren können, kein einziger geschafft hat, mich zu überrunden. Solche Krabbler. Ich bin ein Held. Ein hergebrockter, ein gerichteter, aber ein Held. Und he, ich Brezenbär hab mich nicht ein einziges Mal eingebaut bei meiner Ring-Premiere. (Text und Fotos: Guido Gluschitsch, derStandard.at, 24.8.2006)