Also, jetzt mal ehrlich: Haben Sie einen richtigen Shaker zuhause? Und einen Icecrusher, der alle Stückeln spielt? Wissen Sie, was ein „Strainer“ ist? Wenn Sie das alles wissen und erst einmal haben (siehe: Cocktails: Geschichte, Utensilien), brauchen Sie nur noch Wassermelonensirup, Grenadinensirup und Zitronenlikör. Und Rum natürlich. Oder Cachaca, Tequila, Vodka, Pitú, Martini. Und. Und. Und.

Das können Sie jetzt alles – richtig kombiniert und dosiert versteht sich – im Shaker schütteln, mit dem Strainer in die vorbereiteten Gläsergarnituren einfüllen, mit langstieligen Löffeln umrühren, leicht und fröhlich garnieren – und schon haben Sie einen perfekten Cocktail für Ihre Gäste. Klingt einfach und schmeckt wunderbar. Die Kreation braucht jetzt nur noch einen Namen. „Tangerine Dream“ zum Beispiel, oder „Long white Nigths in Devils Park“. Praktisch sind Ihrer Phantasie ja keine Grenzen gesetzt, lassen Sie da Ihrem Erfindungsreichtum ruhig freien Lauf.

Oder Sie bleiben ganz nüchtern. Und sozusagen am Boden der Wirklichkeit. Man kann das auch das weite Feld der Erfahrung nennen. Eine Erfahrung, die schon ganze Epochen durchlaufen und tausendmal Freude bereitet hat. Dann wären Sie jetzt bei den Klassikern angekommen. Die haben – zumeist – freilich einen kleinen Nachteil: Nicht nur dass die Rezepturen schon x- und millionenmal ausprobiert sind, sie haben alle auch schon einen Namen und – was Ihre Phantasie jetzt noch zusätzlich behindert – sie sind sooo einfach zu machen, dass Ihnen eventuell der Spaß dabei verloren geht.

Man nehme, was da ist

Ich persönlich habe zum Beispiel auch einen schönen Longdrink erfunden. Das hatte mit Sand, Meer und Sonne samt Untergang zu tun und damit, dass die Bar des feinen Hotels Luci del Faro in Sant Antioco keinen Mojito oder Daiquiri im Programm hatte. Also schauen wir mal, was da ist: Ein Limoncello steht, wie üblich als Likör bereitet, in der Bar, auch Tonic-Water ist da, eine Limette und frische Zweige von der Minze. Weil eh schon Likör, brauchts keinen Zucker, mit Tonic auffüllen, Limette und Minze dazu – und schon war der Longdrink „Venezia“ trinkfertig. Gar nicht so schlecht, wie wir fanden, und sehr gut geeignet, um dem Untergang der Sonne beizuwohnen.

Falls Sie aber zu den konservativen Köchen gehören und sich gern an Onkel Ernests Geschmack orientieren, dann sind Sie jetzt und hier genau richtig. Hier nämlich beginnt unsere kleine Reise zu und durch die klassischen Rezepturen der internationalen Long- und Shortdrinks, die einst im schönen Manhattan seinen Anfang nimmt. Wo sie endet, werden wir erst sehen (und zwar in Teil 3 der Cocktail-Story).

Zitrus macht fröhlich

Eines ist den meisten dieser Klassiker gemeinsam: Die Limette spielt eine wichtige Rolle. Da und dort ist es vielleicht auch eine Zitrone, aber die Spritzigkeit der Zitrusfrucht passt einfach gut in einen sommerlich-leichten und spritzig-fröhlichen Cocktail. Und noch etwas passt gut zu vielen dieser Drinks: Ein paar Blätter oder Zweige der Minze *).

Zurück nach Manhattan, wo die Limette zwar seinerzeit noch keine Rolle gespielt hat, aber es geht auch ohne. Der „Manhattan“ ist ein klassischer Cocktail, der aus 4 cl Canadian Whisky, 2 cl Vermouth dry oder rosso und zwei Spritzern Angostura gemixt wird. Als trockener Shortdrink gehört er zu den Aperitifs. Er wurde erstmals von einem unbekannten New Yorker Barkeeper im Auftrag Jennie Churchills zubereitet und nach dem Club "Manhattan" benannt. Je nach verwendetem Vermouth nennt man den Manhattan dry (nur trockener), perfect (halb und halb) oder sweet (nur roter).

Sex, City, Cosmopolitan

Beim Cosmopolitan dagegen kommt die Limette bereits zu Ehren. Der „Cosmopolitan“ ist ein klassischer Shortdrink, auch wenn er erst seit den 1990er Jahren serviert wird. Er besteht aus 2cl Wodka, 2cl Cranberrysaft sowie je 1cl Cointreau und Limettensaft. Steht kein Cranberrysaft zur Verfügung, kann alternativ auch der Saft der Preiselbeere verwendet werden.

Der Cosmopolitan stammt aller Wahrscheinlichkeit nach aus der US-amerikanischen Werbekampagne für Absolut Citron. In angesagten Gay-Clubs der USA kursierte schon vor dem Cosmopolitan ein Vodka/Cranberry-Cocktail, der Stealth Martini. Allerdings ist ein wesentlicher Charakterzug des Cosmopolitan die Verwendung des mit Zitrone aromatisierten Vodkas. Der Cosmopolitan steht sinnbildlich für die moderne, designorientierte Bar, die der Barboom der 90er-Jahre hervorbrachte. Seit der Erwähnung in der hippen Fernsehserie „Sex and the City“ ist er zu einem der bekanntesten Cocktails avanciert.

Vom Manhattan zum Cosmopolitan und von da zum Martini ist es nur ein kleiner Schritt. Der Ursprung dieses Getränks ist weitgehend unbekannt. Es kursieren zwar viele Gerüchte und Legenden, bewiesen ist aber keine. Der Martini gilt als Inbegriff des bürgerlichen, städtischen, säkularen Amerika. 1933 wurde mit Martinis im Weißen Haus das Ende der Prohibition gefeiert.

Geschüttelt oder gerührt?

Die wahrscheinlich bekannteste Form des Martinis ist der trockene Martini. Man mischt in der Regel 4 Teile Gin (bevorzugt wird eine nicht allzu wacholderbetonte, aber dennoch trockene Sorte) und 1 Teil trockenen Vermouth und garniert das Ergebnis in einem konischen Cocktailglas mit einer grünen Olive mit Stocher.

Die Zutaten sollten sehr kühl sein. Sie werden mit Eiswürfeln im Shaker oder in einem Rührglas gemischt und anschließend abgeseiht („geschüttelt, nicht gerührt“ wollte ihn James Bond immer trinken, und noch dazu ersetzte 007 den Gin durch Vodka. Aber Bonds Ausspruch ist nicht unumstritten. So bilden die beiden Spirituosen durch das Schütteln eine Emulsion, die den Martini für kurze Zeit trüb macht, was bei manchen Kennern als verpönt gilt; Zur Zeit der Entstehung der Romanvorlage wurde ein Martinicocktail üblicherweise gerührt).

Als eine der vielen Anekdoten, die zum Thema hat, dass es möglich sei, einen Martinicocktail immer ein Tick trockener zu mixen, ist das Rezept eines „Winston Martini“ zu nennen:

„Der trockenste Martini ist eine Flasche guter Gin, die einmal neben einer Vermouthflasche gestanden hat.“

Beim Perfect Ten kommt der Gin erst recht zur vollen Entfaltung: In den eisgekühlten Drink wird ein Saftspritzer aus einer frischen Zitrone gegeben und ins Glas abgesiebt. Möglich ist eine noch trockenere Version, verwendet wird dabei lediglich eine Zeste der Zitrone.

Four I'm over the host

Zum Ende des zweiten Teils noch die eine oder andere Episode zum Martini: Ernest Hemingway, so heißt es, begleitete bei der Rückeroberung von Paris 1944 einen amerikanischen Vorstoßtrupp. Die Erzählung sagt, dass Hemingway und seine Begleiter, als die von den Deutschen geräumte Stadt vorgefunden wurde, dieses Ereignis in der Bar vom Hotel Ritz mit reichlich Martinis feierten. Auf der Konferenz von Jalta 1945 hatte Roosevelt einen tragbaren Koffer mit Barmix-Zubehör dabei, um auf seine Dirty Martinis nicht zu verzichten. Und zur Frage, wie viele Martini-Cocktails man während einer Feier trinken sollte, wird oft das Zitat von Dorothy Parker herangezogen:

„I love to drink martinis.
Two at the very most.
Three I'm under the table.
Four I'm over the host!“


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*) Zur Minze ist noch zu sagen, dass sich die „gewöhnliche“ Pfefferminze nicht so toll für Cocktails eignet, besser passt da die sogenannte Hemingway-Minze. Das Aroma dieser Sorte ist minzig mit einem leichten fruchtigen Unterton. Die Pflanze stammt aus Kuba und ist die echte Minze für Mojitos.