Mit dem Schmerz durchs Leben
Der Schmerz als ständiger Begleiter im Alltag - damit müssen chronische Schmerzpatienten leben. Das Gehirn hat sich die andauernden Schmerzsignale irgendwann "gemerkt" und ein so genanntes Schmerzgedächtnis ausgebildet. "Wie bei einem Standbild, das zu lange am Computerbildschirm läuft und sich dann einbrennt", verbildlicht Renate Barker, Schmerzmedizinerin an der Wiener Krankenanstalt Rudolfinerhaus. Selbst wenn die Ursache nicht mehr vorhanden ist, bleiben die Schmerzen bestehen.
Minimal-invasiv
Wenn konservative Therapieformen mit Medikamenten nicht oder nicht mehr anschlagen oder Patienten bereits mehrere Operationen hinter sich haben, gibt es die Möglichkeit einer interventionellen Schmerztherapie, bei der mit minimal-invasiver Operationsmethode ohne große Schnitte ein Neurostimulator, eingepflanzt wird.
Mit den Augen der Kamera
Ursprünglich wurde das Gerät von Neurochirurgen in den USA eingeführt, in Österreich arbeitet man damit seit rund zehn Jahren. Neu ist die Epiduroskopie, das Implantieren in Kombination mit einer Wirbelsäulenkamera. Man erhält bewegte dreidimensionale Farbbilder, die auf einem Bildschirm bis zu 124fach vergrößert erscheinen. "In unserem Schmerzinstitut wenden wir diese Kombination erstmals in Österreich an", sagt Michael Zimpfer vom Rudolfinerhaus. "Das 2,3 Millimeter dicke Gerät mit der Kamera wird am Kreuzbein eingeführt. Der Vorteil ist, dass man unter Sicht kleine Instrumente einführen kann, um beispielsweise störende Vernarbungen zu entfernen. Entzündungen können besser erkannt werden." Mithilfe der Kamera wird die Sonde des Nervenschrittmachers in die Wirbelsäule eingebracht. Zwischen zwei und drei Stunden dauert die Implantation insgesamt.
Schmerzlinderung durch Nervenstimulation
Der dazugehörende zündholzschachtelgroße Generator wird unter der Haut im Bauch- oder Hüftraum implantiert und ist mit Elektroden verbunden, die an der Haut des Rückenmarks, der Dura, im Wirbelsäulenkanal eingesetzt werden. Durch das Aussenden von regulierten Stromimpulsen über die Elektroden werden die entsprechenden Nerven stimuliert - die Methode heißt auch SCS, Spinal Cord Stimulation. Die Wirkung ist mit der eines Störsenders vergleichbar: Die Schmerzimpulse erreichen das Gehirn nicht mehr. Nach einer Grundeinstellung wählt der Patient je nach körperlicher Anstrengung mit einer Fernbedienung verschiedene Programme.
Letzter Ausweg
Das Haupteinsatzgebiet liegt bei Menschen mit chronischen Schmerzen, zum Beispiel bei Zuckerkrankheit mit Nervenschäden der Beine, nach einer Gürtelrose oder bei neuropathischen Schmerzen in Bauch oder Becken. "Diese Implantation bekommen nur Patienten, denen sonst nichts mehr hilft, es wird zuerst alles andere versucht", erklärt Barker. "Schließlich ist es das Einsetzen eines Fremdkörpers in den Körper mit allen damit verbundenen Konsequenzen."
Wie bei jedem chirurgischen Eingriff bestehe auch hier das Restrisiko einer Infektion. Außerdem sind die Patienten vom Gerät abhängig. Kritik kommt von Christoph Maier von der Klinik für Anästhesiologie an der Ruhr-Universität in Bochum: "Die einzige wissenschaftlich wirklich gut fundierte Indikation für das Verfahren gibt es bei therapieresistenter Angina Pectoris."
Den Schmerz halbieren
Nicht bei jedem wirkt der Nervenschrittmacher: Nur wenn eine Test-Stimulation Wirkung zeigt, wird tatsächlich implantiert. "Gefordert ist eine mindestens 50-prozentige Schmerzreduktion. Dass Patienten völlig schmerzfrei sind, ist leider seltener", weiß Oberärztin Eva-Maria Mozes an der Abteilung für Neurochirurgie am Landeskrankenhaus Feldkirch. Reicht das nicht aus, müssen die Patienten trotz des Implantats oft noch zusätzlich Medikamente einnehmen.
Die Methode ist nicht als Ganzkörpertherapie zu verstehen: Hat jemand beispielsweise chronische Schmerzen in den Beinen und in der Brust, kann nur eines von beiden behandelt werden.
Evaluation ist wichtig