Multimedia-Installation der Schweizer Künstlerin Pipilotti Rist im neuen MUDAM in Luxemburg.

Foto: MUDAM
Im neuen Luxemburger Musée d'Art Moderne Grand-Duc Jean (MUDAM) findet sich eine eigenwillige Auswahl von Gegenwartskunst durch Ieoh Ming Pei in die alltägliche Meditationsübung eines spitzwinkligen Zen-Klosters versetzt.


Luxemburg - Steigt man in Luxemburg an der Station "Philharmonie - MUDAM" aus dem Bus, befindet man sich in einer weiten, menschenleeren Betonwüste namens "Europaplatz". Ratlos das neue, von Architekt Ieoh Ming Pei erbaute zeitgenössische Kunstmuseum (MUDAM) suchend, entdeckt man schließlich Wegweiser mit dem MUDAM-Logo. Sie weisen um die von Christian de Portzamparc entworfene Philharmonie herum. Schlussendlich sieht man ein fensterloses, hellbeiges Gebäude mit Glasdach, aus dem eine Art Wachturm herausragt: das Musée d'Art Moderne Grand-Duc Jean (MUDAM), nach dem luxemburgischen Großherzog Jean benannt, dessen von Stephan Balkenhol gemaltes Porträt gleich neben dem Eingang hängt. Es wurde kürzlich eröffnet.

Dessen Direktorin Marie-Claude Beaud, die sich selbst als "anti-Pinault" charakterisiert, baute seit dem Jahr 2000 die Sammlung (Jahresankaufsetat 2006: 825.000 Euro) auf und erarbeitete als Museumskonzept eine (für Kunst wie Mitarbeiter) hierarchielose, in jeder Hinsicht offene Struktur.

Jedes Detail des Museums ist mit Künstlern und Designern durchdacht, entworfen und realisiert worden. Beaud hatte bereits mit Jean Nouvel die architektonischen Linien für das 1994 eröffnete Glasgebäude der Fondation Cartier in Paris festgelegt. Im Gegensatz zu Paris, wo sie den Architekten vorgeschlagen hat, war in Luxemburg der Auftrag für den Museumsbau an Pei bereits 1990 ergangen. Einen Konsens zwischen Ästhetik und funktionalen Notwendigkeiten zu finden war nicht einfach: Pei lieferte ein perfektes Baukunstwerk, Beaud braucht ein funktionelles Gebäude für eine Sammlung, die sich nicht ausschließlich am Kunstmarkt und dessen Top-Preis-Künstlern richtet.

Zen-Mausoleum

Pei wählte für die Außen- und Innenwände sowie für die Böden den gleichen beigen Naturstein wie im Louvre und im Deutschen Historischen Museum in Berlin. Die gesamte Haustechnik ist unsichtbar: Die Besucher stehen vor glatten Wänden und Glasdächern mit Oberlicht (gleich einem Mausoleum). Im zentralen, 33 Meter hohen Atrium, in dem Peis Zen-Atmosphäre voll zum Tragen kommt, gibt der von außen nicht eben optimale Wachturm dem immensen Raum Tageslicht.

Pei verbindet die Vergangenheit mit der Zukunft. Das MUDAM mit seinen charakteristisch spitzen Winkeln folgt dem Fundament des ehemaligen "Fort Thüngen", jenes Baus, den der österreichische Festungskommandant Freiherr von Thüngen 1732 nach den Plänen von Sébastien Le Prestre Vauban (dem Festungsgenie von Ludwig XIV.) errichten ließ. Der 12.000 Quadratmeter große Grundriss des MUDAM zeigt die Form einer Pfeilspitze - alles andere denn kommod für ein Museum mit 4800 Quadratmeter Ausstellungsfläche.

Das Erdgeschoß ist der Installationskunst vorbehalten, der erste Stock der Malerei, das Untergeschoß Film- und Videokunst gewidmet.

Im Atrium trifft man auf ein umgekipptes, hochgestemmtes Boot, dessen Rumpf mit Goldpfeilen bespickt ist. Cai Guo-Qiang baute es gemäß dem Vorbild einer chinesischen Sage. Verführt wird das Auge auch in einem achteckigen, hellen Raum, in dem der Jamaikaner Nari Ward seine diskret farbige Flaschenpost-Kaskade installiert hat: Geography: Bottle Messenger. Der begehrte deutsche Designer Konstantin Grcics entwarf dazu ein Holzpodest, auf dem man stehen, sitzen, gehen und Wards Flaschen bewundern kann.

Das Untergeschoß des MUDAM erleuchtet, prominent platziert, Fernando Sanchez Castillos Satz "Nous sommes tous indésirables" in Neonlettern. Die erste Etage von Peis Bau ist wohl am komplexesten mit Kunst verknüpft: Von Stephen Primas Satz "We represent ourselves to the world" führt Gaylen Gerber in einem subtilen Parcours zu großen Namen wie Rémy Zaugg, Julian Schnabel, Daniel Buren, Albert Oehlen, Adrian Schiess und Heimo Zobernig.

Die nähere Zukunft des Hauses sieht Direktorin Marie-Claude Beaud abwechslungsreich: "Wir müssen sehen, wie wir das Gebäude benützen, die Reaktionen des Publikums auf die Sammlung testen. Und vermutlich, wie wir das bei Cartier auch machten, die Säle immer wieder ändern. Unsere Aufgabe ist: ankaufen, ausstellen, Aufträge vergeben. Ich habe erst jetzt den Kopf frei für das Eigentliche meines Jobs." (Olga Grimm-Weissert / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.8.2006)