Seña Estate, Aconcagua Valley.

Foto: www.sena.cl

Alan York und Eduardo Chadwick.

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1999 startete Eduardo Chadwick den ersten „organic“-Versuch auf Viña Errázuriz im Aconcagua Valley, nördlich von Santiago de Chile, in einem 1992 ausgepflanzten Weingarten. Im November 2004 nach einem Biodynamik-Workshop in Australien war er überzeugt, dass Biodynamik der geeignete Weg sei und begann auszuloten, wie dieser Arbeitsweise auf ein Unternehmen wie Errázuriz umgelegt werden kann. Begonnen wurde mit Seña.

Neben Viña Errázuriz und Seña zählen auch die Weingüter Arboleda, Caliterra und Viñedo Chadwick in unterschiedlichen Regionen Chiles zu Chadwicks Unternehmen. Seña wurde 1995 gegründet und war ursprünglich eine Wein-Kooperation in Chile zwischen Eduardo Chadwick und Robert Mondavi aus Kalifornien, der vom Potenzial dieses südamerikanischen Landes seit seinem ersten Besuch überzeugt war und in Chadwick einen geeigneten Partner fand. Als Mondavi an den Getränkekonzern Constellations ging, kaufte Eduardo Chadwick die Seña-Anteile zurück und ist seither alleiniger Besitzer dieses 27 Hektar-Weinguts knapp 40 Kilometer vom Pazifik im westlichen Teil des Aconcagua Valleys nördlich von Santiago de Chile. Gemeinsam mit Montes oder Almaviva, der Kooperation zwischen der Rothschild-Familie und Concha y Toro, zählen Seña und Viñedo Chadwick zu den Vorzeige-Weinen des Landes, die auch international beste Figur machen. Beim „Berlin Tasting“ im Jahr 2004, einer Vergleichsverkostung von sechs chilenischen Topweinen, sechs Spitzen-Bordeaux und vier renommierten Italienern der Jahrgänge 2000 und 2001 durch eine Jury von 35 internationalen Weinfachleuten gewann Viñedo Chadwick 2000 vor Seña 2001 und Château Lafite 2000. Bei der Neuauflage des Berlin Tastings kürzlich in Tokio mit 70 japanischen Weinexperten, erhielt nur Château Latour 2000 höhere Wertungen als Seña 2000, Viñedo Chadwick 2000 und Seña 2001 (in dieser Reihenfolge).

Die Umstellung von Seña auf Biodynamik wird von Raúl Baumann, dem obersten Weingartenmanager bei Errázuriz geleitet, das Interview wurde per Email geführt.

derStandard.at: Wie kam es zu der Umstellung? Und wo fängt man an?

Raúl Baumann: Wir begannen mit Seña im Jahr 2004, derzeit der einzige Betrieb, der in der Umstellung ist. In einiger Zeit werden wir bewerten, ob wir mit den anderen weitermachen. 2004 besuchten unsere Weingartemanager, der Chefweinmacher Francisco Baettig und Eduardo Chadwick ein Seminar über „World Biodynamic Wines“, das von den biodynamischen Weingütern Australiens organisiert wurde. Einer der Redner was Nicolas Joly, eine der führenden Persönlichkeiten weltweit, wenn es um biodynamischen Weinbau geht. (Anm. Biodynamik-Winzer mit Guru-Status, der an der Loire beheimatet ist und ein Standard-Werk zum Thema verfasste: „Beseelter Wein“.)

Wir hatten biodynamischen Landbau gerade einmal als mögliche Alternative ins Auge gefasst, um die Qualität unserer Trauben zu verbessern, brauchten aber noch den endgültigen Anstoß; durch dieses Seminar wurden wir bestärkt, dass Biodynamik der richtige Weg ist. Nach unserer Rückkehr trafen wir durch einen glücklichen Zufall Alan York, der einige andere Betriebe beriet, und wir luden ihn ein, sich Seña einmal anzusehen. Und er war begeistert vom Potenzial. Daraufhin beschlossen wir, dass es einen Versuch wert sei.

derStandard.at: Was war demnach ausschlaggebend?

Raúl Baumann: Erstens sind wir davon überzeugt, dass Chile ganz generell beste Voraussetzungen bietet sowohl für biologisch-organischen als auch biologisch-dynamischen Weinbau. Chile hat außergewöhnliche klimatische Bedingungen, um gesundes Obst und Gemüse auf naturnahe Weise zu erzeugen. Es gibt viele Bio-Projekte, die gerade entstehen oder die bereits seit einiger Zeit laufen, nicht nur in Verbindung mit Wein, sondern mit allen möglichen Obst und Gemüsesorten.

Und zweitens hatten wir bereits positive Erfahrungen mit Bio-Landbau: Zu Viña Errázuriz gehört ein zertifizierter biologischer Weingarten im Aconcagua Valley. Wir wurden 2003 zertifiziert, und Errázuriz Cabernet Sauvignon „Organics“ ist seit dem Jahrgang 2003 erfolgreich auf den Markt. Wir sind mit der Qualität mehr als zufrieden und mit der Fruchtintensität, die in diesem Weingarten möglich ist; deswegen überlegten wir, das Ganze auszuweiten. Biodynamisch zu arbeiten war also der nächste logische Schritt.

derStandard.at: Und warum biodynamisch und nicht eine weniger strenge Form des Bio-Weinbaus?

Raúl Baumann: Es ist eine sehr umfassende Philosophie und eine Herausforderung für einen Weinproduzenten, der qualitätsorientiert arbeitet. Wenn diese Philosophie auf die Weingärten umgelegt wird, ermöglicht das den wahrhaftigen Ausdruck des Bodens im Glas. Wir haben viele biodynamische Weine verkostet und eine grundlegende Gemeinsamkeit entdeckt: Sie alle haben eine unverwechselbare, klare und einzigartige Persönlichkeit. Und die Vorstellung ist äußerst reizvoll, auch nach unseren Erfahrungen mit Bio-Weinbau, noch besseres Traubenmaterial zu bekommen, wenn wir biodynamisch arbeiten. Wir haben wissenschaftliche Ergebnisse durch unseren Bio-Weingarten und sind sehr zufrieden mit der Qualität der Trauben. So mussten wir den nächsten Schritt machen: Biodynamik. Denn wir wollen Weine mit Persönlichkeit, die einen Standort widerspiegeln.

derStandard.at: Wie weit ist der Umstellungsprozess fortgeschritten? Und wann wird er abgeschlossen sein?

Raúl Baumann: Der Zertifizierungsprozess ist wirklich wichtig, aber noch wichtiger ist der Wechsel im Verständnis darüber, wie wir in unseren Weingärten agieren; das ist eine Philosophie-Frage, die auf die Arbeit auf dem Feld umgelegt werden muss; daher geht es nur langsam Schritt für Schritt, wir lernen jeden Tag dazu. Es ist ein Handwerk und wir haben damit erst 2004 begonnen. Wir sind im ersten Umstellungsjahr und ich glaube, dass wir innerhalb der nächsten drei Jahre abschließen werden. Möglicherweise werden wir ziemlich gleichzeitig sowohl biologisch-organisch und biologisch-dynamisch zertifiziert, hoffentlich 2009. Wir sind fast fertig mit den verschiedenen Präparaten, die für die Arbeiten nötig sind. Das sind alles längere Abläufe, die einige Zeit brauchen und viel handwerkliche Geduld erfordern.

derStandard.at: Wie ändert sich die Arbeit der Leute, die am Weingut beschäftigt sind? War es leicht sie davon zu überzeugen, die Arbeitsmethoden umzustellen?

Raúl Baumann: Es war nicht schwierig, diese Veränderungen durchzuziehen. Alan Yorks und Eduardos Führungskompetenz und ihre Überzeugung, damit den richtigen Weg zu gehen, dazu das Qualitätspotenzial, das dahinter steckt, waren die größte Motivation. Wir sind alle zutiefst überzeugt, dass dies der richtige Weg für den Weinbau ist, und es steckt viel Leidenschaft dahinter, wie bei einem Kunstwerk...

Unsere Praktiken bei der Weingartenarbeit gingen ohnehin bereits in Richtung Biodynamik. Alan ist ein Experte für Biodynamik, und auch Weingartenspezialist (viticulturist), eine äußerst brauchbare Kombination, wenn es darum geht Weingärten weiterzuentwickeln. Wir sind alle überzeugt, dass wir mit biodynamischen Weinbau die hohen Traubenqualitäten erreichen können, die wir für die Seña-Weine brauchen.

derStandard.at: Welche Organisation ist für die Bio-Zertifizierung in Chile zuständig?

Raúl Baumann: In Chile gibt es keine. Demeter ist für Biodynamik weltweit zuständig. In Chile gibt es eine Firma, IMO, die zuständig ist für die Zertifizierung von Bio-Projekten, und die repräsentieren auch Demeter hier.

derStandard.at: In Österreich ist es nicht möglich nur Teile eines Betriebes auf biologischen Landbau umzustellen. Wie ist das in Chile?

Raúl Baumann: Genauso, weltweit gibt es nur die Möglichkeit, 100-prozentig biodynamisch zu arbeiten. Unser Projekt begann mit Seña, weil es ein unabhängiger und selbstständiger Teil von Errázuriz ist.

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Interview geführt von Luzia Schrampf.