Monika Lindner, die 61-jährige Titelverteidigerin, hat schon entspannter gelächelt als in diesen Tagen.

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Seit Monaten, ja Jahren galt sie - zusammen mit dem umstrittenen TV-Chefredakteur Werner Mück als Infodirektor - als Fixstarterin von Gnaden der ÖVP für eine zweite Periode an der ORF-Spitze. Doch das BZÖ und der ÖVP zugerechnete ORF-Stiftungsräte wie der Tiroler Andreas Braun ließen in den vergangenen Tagen vielfach durchklingen, dass sie Lindner nicht mehr als Generalin sehen.

"Sie sehen, welche Kräfte da gegen mich walten", leitete Lindner ihr Hearing vor der Belegschaft ein. Eher überrascht nahmen die Mitarbeiter, dass sie "schon länger Gelegenheit hatten", unter Lindner "den Dialog im Haus zu führen": Lindner, ihrem Führungsteam und ihrem TV-Chefredakteur Werner Mück warfen Mitarbeiter in den vergangenen Wochen massiv Dialogverweigerung vor.

Sieht sich Lindner als "Vorkämpferin der Äquidistanz?", fragte ORF-Redakteur Dieter Bornemann: "Warum werfen sich dann ÖVP-Spitzen so ins Zeug für Sie"? Lindner: "Ich bin nicht Mitglied einer Partei. Ich sehe nicht, warum an meiner persönlichen Unabhängigkeit gezweifelt werden soll." Warum stellte sie sich nicht vor die Mannschaft und den Radiodirektor, als Niederösterreichs bürgerlicher Landeshauptmann den "Wildwuchs" im Radio angriff? Sie hätte als erstes erwartet, dass sich der direkt angegriffene Radiodirektor vor die Mannschaft stellt und hätte sich nötigenfalls dazugestellt. Aber sie habe Erwin Pröll schon gesagt, dass sie das für "sehr verzichtbar" halte.

Lindners Konzept

In ihrem Konzept räumt sie Fehler unter ihrer Führung ein, etwa Sendungen wie "Bachelor" und "Dismissed".

Lindner verspricht täglich drei Stunden Frühstücksfernsehen ab sechs Uhr. Sie plant einen Spartenkanal für Info und Kultur sowie einen Spartenkanal für Kinderprogramme zusammen mit ARD und ZDF.

Alle Sendungen, die älter als fünf bis zehn Jahre sind, will sie auf "Bestandsnotwendigkeit" prüfen lassen.

Eine Daily Soap oder Quizshows sollen am Vorabend unterhalten.

Die Aufgabenteilung ORF 1 für Junge, ORF 2 für ältere Zuschauer will sie beibehalten, aber mehr Eigenproduktionen auf ORF 1.

Nach den massiven Protesten ihrer Redakteure gegen die zentralistische Führung durch Chefredakteur Mück und dem Untersuchungsbericht darüber will sie das Redakteursstatut "verfeinern", heißt es im Konzept.

Seite 2: Alexander Wrabetz

Alexander Wrabetz, der 46-jährige Finanzdirektor des ORF, hat gute Chancen das Rennen um den Generalsjob zu machen, wenn genügend der vier BZÖ-Stiftungsräte für ihn stimmen.

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Im Hearing vor der Belegschaft präzisierte er unter anderem das Projekt "Ö1 Visual". Im zweiten digitalen Programmpaket im Antennenfernsehen, das 2007 vergeben wird, "müssen wir Platz besetzen. Sonst ist der Zug für die nächsten Jahre weitgehend abgefahren." Nur: Das Gesetz sieht keinen gebührenfinanzierten Infokanal vor. Also will Wrabetz einen TV-Kanalplatz mit einer Art bebilderten Radioprogramm Ö1 besetzen.

Sein kolportiertes Führungsteam ist geprägt von Konzessionen an Orange und rote Technikbetriebsräte. Von dem Lindners unterscheidet ihn da der Verzicht auf Werner Mück.

Regisseurin Regina Strassegger fragte Wrabetz nach Konzessionen an das BZÖ für seine Wahl, Parteichef Peter Westenthaler sei ja bekannt für seine "erpresserischen Maßnahmen". Wrabetz: "Bei mir gibt es keine Direktleitung, und zwar für niemanden. In meinem ORF haben Journalisten ihre Arbeit nach gesetzlichen Kriterien zu erfüllen und niemanden zu benachteiligen oder bevorzugen." Wrabetz versprach für sein Führungsteam wieder einmal "nur Topprofis".

Dass es für Frauen in Führungspositionen ein eigenes Programm brauche, habe er in den vergangenen Jahren gelernt. Um Bezügen zur Generalin vorzubeugen: Er meint ein Förderungsprogramm für mehr Frauen in Führungspositionen.

Wrabetz' Konzept

Wrabetz hat den Kurs des ORF seit 1998 als Kaufmännischer Direktor mitbestimmt. Als General verspricht er quasi eine Generalüberholung, laut seinem Konzept (Download) die "größte Programmreform in der Unternehmensgeschichte". An ORF 1 für Junge und ORF 2 für ältere Zuschauer will er allerdings festhalten. Mehr österreichische Fiction verspricht er für ORF 1, eine Daily Soap aber sei zu teuer.

Er verspricht unter anderem wieder getrennte Redaktionen für die "ZiBs", eine zusätzliche, junge Infosendung in ORF 1 statt der durchgeschalteten "ZiB 1", "ZiB 2" auch an Wochenenden, mehr Auslandskorrespondenten, etwa einen in Südamerika, halbjährliche Themenschwerpunkte im gesamten ORF-Programm, einen neuen Wirtschaftstalk, neue Bürgersendungen nach dem Muster des "Volksanwalt", mehr Geld für Dokus und Reportagen, auch für eine neue Geschichtsdokureihe, zusätzliche Kulturformate, junge "Seitenblicke", ein wöchentliches Jugendmagazin und mehr Eigenproduktionen im Kinderprogramm.

Einen multimedialen Info-und Kulturkanal wünscht sich Wrabetz und nimmt Ö1 als Vorbild dafür. ORF Sport Plus und TW1 will er in zwei Kanäle trennen.

Sein kolportiertes Führungsteam ist geprägt von Konzessionen an Orange und rote Technikbetriebsräte. Von dem Lindners unterscheidet ihn da der Verzicht auf Werner Mück.

Seite 3: Wolfgang Lorenz

Wolfgang Lorenz (62) werkt seit 1970 für den ORF, etwa als steirischer Landesintendant, als Kulturchef und Programmintendant, nun als Chef der Planung und Koordination.

Wie in seinem Konzept rechnete Lorenz auch im Hearing vor der Belegschaft recht radikal mit dem heutigen ORF und seinen Programmen ab: "Nichts ist in Ordnung."

Lorenz sieht in seinem Führungsteam den umstrittenen TV-Chefredakteur Werner Mück als Infodirektor vor. "Wie verträgt sich das mit der Ansage, die Kommuniktion im Haus zu verbessern?", fragte ihn ORF-Korrespondent Hanno Settele. Lorenz stellt sich da die Frage: "Ist Mück Symptom per se oder Symptom einer Geschäftsführung, die das Haus möglicherweise so aufgestellt hat, um möglichst direkt durchzuzugreifen? Wenn Leute sich so benehmen, dann stimmt etwas mit der Unternehmenskultur nicht." Aber: "Ich mache hier keinen Menschenhandel auf." Er könne sich vorstellen, dass Mück im Haus bleibt, wenn auch in einer anders strukturierten ORF-Information.

Sein Wunschteam verriet Lorenz nicht, er habe es "„icht einmal der Politik genannt." Über seine Gespräche dort: "Ich wurde auch gar nicht genötigt, ein Team zu nennen. Es dreht sich allesumdie Zentralfrage Mück."

Lorenz' Konzept

In seinem Konzept (Download) rechnet Lorenz recht radikal mit dem heutigen ORF und seinen Programmen ab: "ORF 1 und ORF 2 bedürfen einer kompletten Neuaufstellung, schematisch, inhaltlich und formal. Das Programm verharrt seit Jahren in einem obsoleten Status, festgefahren in eigenen Dogmen, erstarrt in Klischees, inhaltlich schwächelnd, formal ohne durchgängiges Design, fremdbestimmt durch gekaufte Dutzendware, zu wenige Originale bietend - und vor allem: Es unterwandert den öffentlich-rechtlichen Auftrag und verliert dennoch dramatisch bei den Jüngeren, ohne die Älteren überproportional bei der Programmstange halten zu können. Die Gesamtquoten sinken schleichend, die Qualität der Gesamtperformance rapide."

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Die Zielgruppentrennung von ORF 1 und 2 will Lorenz aufheben. Er ist dagegen, öffentlich-rechtliche Inhalte wie Information und Kultur in Spartenkanäle auszulagern. Beide Punkte sprächen gegen einen Programmdirektor Lorenz unter General Wrabetz.

Seite 4: Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter (51): "ORF 1 ist kein öffentlich-rechtlicher Sender mehr", der in fünf Jahren nicht mehr funktioniere. Die Jungen holten sich die US-Serien dann aus dem Internet. Infodirektor will der ehemalige Manager von n-tv und Puls TV nicht werden.

Sind Kündigungen notwendig? Brandstätter etwas ausweichend: "Sparen ja, Sparen in allen Bereichen." Potenziale sollten aber keine externen Berater erheben. Noch niemand habe ihm erklärt, wozu der ORF seine Technik auslagern sollte. Sie sei "sehr gut", aber "manchmal überdimensioniert".

In seiner Bewerbung um den ORF-General (Download) erwägt er eine neue, eigene Nachrichtensendung um 19.30 Uhr für ORF 1 wie auch Wrabetz. Mit dem verbindet ihn auch der Wunsch nach Bildschirmpersönlichkeiten, neuen Talkformaten und Magazinen. Den Spartensender TW1 will er zum Eventkanal umbauen. Eigene ORF-Programme für unterwegs plant er ebenfalls.

Seite 5: Rudi Klausnitzer

Rudi Klausnitzer (57): Was störte Rudi Klausnitzer in den vergangenen Jahren in der ORF-Unterhaltung? Der frühere Manager von Ö3, Sat.1, Premiere und News-Konzern verteilt "ungern Zensuren". Aber: "'Moneymaker' hat für mich eine menschenverachtende Komponente: Menschen, damit sie Geld bekommen, herumkasperln zu lassen."

Zur Finanzierung großer Produktionen wünscht sich Klausnitzer vom Finanzminister ein "Steuersparmodell für einen öffentlich-rechtlichen Medienfonds". Das Geld spielten die Produktionen wieder ein.

Er verspricht, die Trennung in ORF 1 für junge und ORF 2 für ältere Zuschauer aufzuheben, Spartenkanäle für Informationen und für Kinder, mehr österreichische Programme, zudem Unterhaltung und soziale Fähigkeiten stärker zu verzahnen wie einst in der Show "Wünsch dir was" sowie mehr "Public Viewing" wie zuletzt bei der Fußball-WM auf öffentlichen Plätzen (Konzept zum Download).

Seite 6: Viktoria Kickinger

Viktoria Kickinger (53): 30 Minuten mit Spielraum nach oben gestand der Betriebsrat Kandidaten zu. Die Generalsekretärin der Post AG brauchte nur knappe 17 Minuten, um Fragen zu beantworten und sich zu präsentieren.

Sie habe "klare und präzise Vorstellungen" für den ORF, sagte Kickinger. Der Belegschaft eröffnete sie diese nur sehr kursorisch.

Ihre erste Maßnahme als Generaldirektorin? Den Teppich mit ORF-Logo vom Eingang des Küniglbergs entfernen lassen: "Auf dem ORF steigt man nicht herum, an ihm putzt man sich nicht ab."

Die frühere Marketing- und Verkehrsfunkchefin im ORF bewarb sich mit einem eher allgemeinen Konzept (Download). Sie verspricht eine Selbstverpflichtung des ORF zu öffentlich-rechtlichem Programm, "klare Abgrenzung zu Privatsendern", ein "Team der Besten" soll das TV-Programm erneuern, "umspannt vom europäischen Gedanken" und einem umfassenden und alltagsbegleitenden Kulturbegriff. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.8.2006)