Seit letztem Sommer erhält Peter Deutsch als einer von rund 800 österreichischen Patienten ein "Biological"-Präparat. Die gentechnisch hergestellten Proteine greifen direkt in das krankhafte Geschehen unter der Haut ein, dämmen die wilde Zellteilung und die von Entzündungen begleitete Schuppenbildung. "Die Wirkung war frappant. Man konnte zuschauen, wie es besser geworden ist", so Deutsch. Wenn er heute die Hemdsärmel aufkrempelt, sind zwar noch scharf abgegrenzte Rötungen zu sehen, aber es schmerzt, juckt und rieselt nicht mehr. Vier Biological-Präparate (Fusionsproteine und Antikörper) wurden in Österreich innerhalb der letzten zwei Jahre zur Therapie der Schuppenflechte zugelassen. "Mit Biologicals haben wir einen völlig neuen Ausblick auf die Schuppenflechtebehandlung , vor allem in puncto Langzeittherapie", erklärt Robert Strohal.
Teufelskreis
Vor der Einführung der Biotech-Medikamente musste der Vorstand der Abteilung für Dermatologie und Venerologie am Landeskrankenhaus Feldkirch auch bei schwer Betroffenen immer wieder Therapien unterbrechen, weil eben jene Medikamente und Methoden, die gut gegen Schuppenbildung und Entzündung wirkten, auch viele unerwünschte Effekte haben: UV-Bestrahlung erhöht das Hautkrebsrisiko, Methotrexat wirkt wie bei der Krebstherapie in hohen Dosen als Zellgift, das aus der Transplantationsmedizin bekannte Immunsuppressivum Ciclosporin ist ungeeignet für Patienten mit Bluthochdruck, Nieren- oder Leberschädigung. Eine Verbesserung des Hautbildes bedeutete deswegen oftmals das Ende der Therapie - das bange Warten auf den nächsten Rückfall begann von Neuem. Vor allem Menschen mit Befall an den Händen oder im Genitalbereich gelten als psychisch ähnlich schwer belastet wie Krebs- oder Diabetes-patienten und haben oft massive Probleme im Berufs- und Privatleben.
Biologicals gelten auch für den jahrelangen Dauereinsatz als sicher und verträglich. Dermatologe Strohal berichtet von einem großen Gewinn an Lebensqualität bei vielen seiner Patienten. Allerdings, so Strohal, wirken Biologicals, je nach Präparat, nur bei 50 bis 70 Prozent der Patienten, zudem sei aber durchaus auch nicht jeder ein geeigneter Kandidat. Die neue Therapie ist reserviert für jene Patienten, die auf konventionelle Behandlungsformen nicht ansprechen oder diese aufgrund gefährlicher Nebenwirkungen nicht in Anspruch nehmen können. Ergo: Nur ein Bruchteil der rund 250.000 Psoriasis-Patienten in Österreich kommt für eine Biological-Therapie infrage.
Durchaus kritisch der Schulmedizin gegenüber eingestellt, hat sich Friederike Schönauer vor zwei Jahren für die Biological-Therapie entschieden, als zum Befall der Haut auch noch schwere Gelenksbeschwerden im Rahmen einer Psoriasis-Arthritis kamen. "Heute bin ich fast beschwerdefrei, mir ging's noch nie so gut", freut sich Schönauer, die rasch gelernt hat, sich die Injektionen selbst zu setzen und nur noch sporadisch zu Kontrollen ins Krankenhaus muss.
Ein weiterer bedeutender Unterschied zwischen herkömmlicher Behandlung und Biological-Therapie: Die in der Herstellung höchst aufwändigen Biological-Präparate kosten in etwa 10.000 bis 20.000 Euro pro Patient und Jahr, während sich die Kosten für herkömmliche Therapien laut Behandlungskosten-Studien aus Deutschland nur auf zirka 5000 Euro belaufen.
Pro und Kontra
Dennoch, so Psoriasis-Spezialistin Nicole Selenko-Gebauer vom Wiener AKH, funktioniere die Kostenübernahme bei großen Kassen mittlerweile problemlos. Denn eines gilt es nicht zu vergessen: Biological-Therapie ist zwar teuer, doch müssen Patienten seltener zum Arzt und sind allgemein leistungsfähiger. Dass Biologicals sicher sind, weiß die Immunologin Selenko-Gebauer sicher: "In der Rheumatologie gibt es schon seit über zehn Jahren Erfahrung mit diesen Biologicals." Weil sie in das Immunsystem eingreifen, indem sie Zellen oder Botenstoffe des Immunsystems blockieren, dürfen Infektionen allerdings nicht bagatellisiert werden. In Studien haben sich zwar nur selten schwere Nebenwirkungen gezeigt, bislang ist aber nicht restlos geklärt, ob die langfristige Einnahme der Immunbausteine zur Krebsentstehung führen könnte. (Julia Harlfinger/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14. 8. 2006)