Eva Demski:
"Das siamesische Dorf". Roman. € 20,40/ 382 Seiten. Suhrkamp, Frankfurt/Main 2006.

Buchcover: Suhrkamp

Keiner will ein schnöder Tourist sein, alle sind es. Auch die Journalistin Kecki und der Fotograf Max, die ins thailändische Luxusressort geflogen werden, um eine gepflegte Magazinstory zu produzieren.

Man befindet sich in der gehobenen, zumindest betuchten Gesellschaft, die sich mehr oder weniger enthusiastisch im Tropenparadies verwöhnen lässt. Schönes Klima, tolles Essen, ein bisschen Esoterik - klar, man weiß, dass die gnadenlos höflichen Angestellten irgendwo anders leben, wo es vielleicht nicht ganz so idyllisch ist, aber wer will das schon so genau wissen.

Eva Demski lässt im Bilderbuch-Paradies ein paar Schlangen los. Zuerst findet Kecki in einem der pittoresken Geisterhäuschen eine Leichenhand, dann eine tätowierte Menschenhaut, die wie die Kautschuklappen zum Trocknen aufgehängt wurde, einen Rumpf in einer Reuse, ausgelegt als Köder für die prachtvollen Hummer auf dem abendlichen Buffet.

Das würde eine Bombenstory sein, viel sensationeller als ein glatt polierter Reisebericht! Allein, man rennt bei den vorsichtigen Recherchen an eine Gummiwand. Die Einheimischen verstehen einen nur dann, wenn sie wollen, der Rest ist Lächeln. Alles hat einen doppelten Boden. Doppelt ist auch das Dorf: hier die Bungalows für die Urlauber, dort die Hütten, versteckt im Urwald, wo die dienende Bevölkerung haust. Die lebt ganz gut von den weißen, melkbaren Nutztieren, die für drei Wochen in ihren komfortabeln Ställen am Strand gehalten werden.

Welche Machtverhältnisse sind eigentlich die realen? Aus illusionsloser, nicht selten sarkastischer Perspektive beleuchtet Eva Demski die vorgetäuschte Idylle, beobachtet das Treiben der Urlauber, die ihre Sünden, Krankheiten und Ehekalamitäten mitschleppen, spekuliert über den künftigen Exodus betuchter europäischer Senioren, die sich im Garten Eden Dienstleistungen erkaufen werden, die sie sich nirgendwo sonst leisten könnten.

Das letzte Drittel des Romans wirkt zu sehr konstruiert, aber Demskis Beobachtungen treffen dennoch ins Schwarze. Dass der sonst eher nicht für Urlaubs-Belletristik bekannte Suhrkamp Verlag diesen Roman herausbringt, erstaunt ein wenig. Vielleicht ist er ja als Cashcow gedacht, - sozusagen ein siamesisches Dorf? (Ingeborg Sperl/ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.8.2006)