Tradition begegnet der Moderne: Die Sightseeingbusse haben dieselbe Tour wie Toni Komarek mit seinem Zeugl.

Foto: Standard/Robert Newald

Der harte Konkurrenzkampf hat zu Platzkarten für die Pferdekutschen geführt.

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Wien - "Wenn i in der Fruah meine Rösser striegl und sie mit mir Kontakt aufnemman und i ihre Wärme spür, des is für mi eigentlich des Schönste an mein' Beruf", sagt der Wiener Fiaker Toni Komarek. Er steht dabei in der mit Streu bedeckten Box von Prinz, einem ungarischen Warmblut, und säubert mit Kartätsche und Bürste dessen Fell.

Prinz und "Kollege" Jakob bilden an diesem Tag mit Toni gemeinsam ein Gespann. Im Hintergrund werkt bereits seine Chefin Monika Michelfeit. Sie hat die Kutsche, einen um die 100 Jahre alten Landauer, mit einem Helfer bereits auf den Hof der ehemaligen Schamottfabrik im 2. Wiener Gemeindebezirk gezogen und hilft beim Einspannen der Pferde.

In der Zwischenzeit hat sich Toni sein "Arbeitsgwand" angezogen: Dunkle Hose, Hemd, Krawatte, Gilet und natürlich die obligatorische Melone. "Die ghört dazu". Viertel nach neun rollt die Kutsche aus dem Hof. Die Aspernallee entlang, am Lusthaus vorbei, die Prater Hauptallee hinunter. Jakob und Prinz trotten gemächlich voran.

Der gelernte Speditionskaufmann sitzt seit fast zwei Jahrzehnten am Bock oben. Allerdings nur bei schönem Wetter. "Bei Regen und Kälte z'fahrn, des g'freit mi net und die Pferd a net", grinst er. Anfang März hat er "eingspannt", bis Anfang, Mitte Oktober will er maximal fahren. Ungefähr 10.000 Euro wird ihm die heurige Saison einbringen, schätzt er. In der kalten Jahreszeit sattelt er dann aufs Auto um, als Fahrer für einen Botendienst.

Seit anderthalb Jahren hat er mit Michelfeit einen freien Dienstvertrag, der ihn am Umsatz beteiligt. Sie zahlt ungefähr zwei Drittel der Kranken- und Sozialversicherungskosten für ihn.

Das Gespann nähert sich der Rotundenbrücke. "Jetzt kumma ins Feindesland", kündigt Toni an. Schon nach kurzer Zeit wird klar, was damit gemeint ist: Auf der linken Straßenseite lässt ein Lkw geräuschvoll seine Ladefläche hinunter, rechts und links sausen die Autos vorbei, an der Ampel pressen sie sich teilweise sehr dicht an die Kutsche, um bei "Grün" in Pole Position zu liegen.

"Da muaß ma g'lassn bleibn", kommentiert der 40-jährige Fiaker. Er sei im Team das Alpha-Tier und wenn er nervös werde, übertrage das sich sofort auf die Pferde.

An diesem Tag steuert Toni den Standplatz auf dem Heldenplatz an. Die Kutschbetriebe haben intern geregelt, dass die Inhaber mit geraden Platzkartennummern an den geraden Tagen an den einkommensträchtigsten Orten, dem Stephans- und Petersplatz, stehen dürfen. Die Fiaker mit den ungeraden Platznummer fahren dann die Stellplätze an Albertina, Heldenplatz und Burgtheater an. Insgesamt 58 Fiaker dürfen pro Tag im ersten Bezirk ihrer Arbeit "nachfahren".

Um Viertel nach zehn Uhr erreicht Toni den Heldenplatz und reiht sich in die bereits auf Kunden wartende Kutschenschlange ein. Vis-à-vis und knapp vor dem Heldentor wartet auch die Fiaker-Konkurrenz auf Kundschaft: Busunternehmen, die touristische Städterundfahrten anbieten. Sie sind Toni und seinen Kollegen natürlich ein Dorn im Auge: "Die Stadt Wien hat zwoa nichts dagegen, dass wir eine der größten Touristenattraktionen sind, oba dass die vom Rathaus genehmigten Busse für unser Gschäft net grod zuträglich san, stört niemand", sagt er lakonisch.

"Fiaker g'fällig, die Herrschaften?", versucht Toni vorbeigehende Touristen anzulocken. Nach etlichen vergeblichen Bemühungen hat er Erfolg. Es ist knapp vor elf Uhr. Toni, Prinz und Jakob begeben sich auf ihre erste Tour. Spätestens um acht will er sich wieder auf den Heimweg machen. "Des is lang gnua für mi und meine Rösser", sagt er und lässt die Kutsche anrollen. (Karin Tzschentke, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12./13.8.2006)