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Fröhlich: "Zitieren ist keine Sünde, sondern Wissenschafterpflicht."

Foto: apa/Gindl

"Dumme Plagiatoren erwischt man, weil sie dumm sind": Ideenklau in der Wissenschaft ist nicht erst seit dem Plagiatsfall an der Uni Klagenfurt ein Thema. Durch Internet, Google und elektronische "Plagiatsjäger" werden akademische Sünder leichter entlarvt.

Wien – "Wickie und die starken Männer. TV-Kult mit Subtext" hatte offenbar zu viel Subtext – der sich noch dazu relativ einfach im Internet fand. Und das kommt bei einem Werk, das 2004 als Diplomarbeit an der Uni Klagenfurt eingereicht und nicht nur mit einem Magistertitel, sondern auch mit einer Assistentenstelle honoriert wurde, eher suboptimal. Die vermeintlich wissenschaftliche Arbeit, von ihrem Betreuer als "sehr gut und innovativ" gelobt, entpuppte sich als echtes Plagiat. Enttarnt wurde der akademische Trojaner vom Salzburger Plagiatsjäger und Medienwissenschafter Stefan Weber, der ganze Passagen der "Magisterarbeit" wortwörtlich im Netz aufstöberte. Jetzt ist die Copy-&-Paste-"Forscherin" den Job los, ein Aberkennungsverfahren für den erschlichenen Titel läuft – und eine Debatte um Plagiate an Österreichs Unis entbrannte.

"Dass ein Drittel der akademischen Arbeiten in Österreich Plagiate sein sollen, halte ich für eine kulturpessimistische Einschätzung", sagt die Klagenfurter Studienrektorin Petra Hesse im Standard-Gespräch: "Bei der Betreuung und Gründlichkeit der Zitierweise kann man sicher einiges verbessern. Darum ist es wichtig, dass die Medien über so einen Fall und die Konsequenzen berichten. Das Unrechtsbewusstsein bei vielen Studierenden ist dermaßen unterentwickelt, das ist manchmal geradezu erschreckend."

Sünden googeln

Die Plagiatsproblematik berührt aber auch das Thema "Massenfächer": "Wenn einzelne Betreuer sehr viele Arbeiten zu betreuen haben, ist eine genaue Begutachtung oft gar nicht möglich. Das ist auch ein Qualitätsaspekt – die Güte der Betreuung, die wir den Studierenden bieten können."

Philosoph Gerhard Fröhlich von der Uni Linz beschäftigt sich schon lange mit Plagiaten in der Wissenschaft und kennt die Tricks der akademischen Diebe genau: "Es gibt keine seriöse Zahlen über Plagiate", sagt auch er. Ganz oben in der Deliktpyramide "unethischer Praktiken" stehen in der "sci-entific community" als "wichtigste und schlimmste Form die Ehrenautorenschaften, wenn sich ,wichtige' Menschen über ein Buch schreiben lassen, das ihre Mitarbeiter verfasst haben. Und Korruption, vor allem in der US-Pharmaforschung." Die kleinen Fische an den Unis ließen sich durch genaue Betreuung relativ leicht "mit Hausverstand, Erfahrung und Google" herausfischen. Er habe unlängst selbst "zwei zu perfekt formulierte Sätze aus einer Arbeit gegoogelt und in Wikipedia gefunden", so Fröhlich: "Dumme Plagiatoren erwischt man, weil sie dumm sind."

Als Plagiatsprophylaxe lässt er alle schriftlichen Arbeiten "referieren, nicht vorlesen. Dann merkt man sofort, ob sie wer anderer geschrieben hat. Man muss Plagiieren teuer machen. Warum Immanuel Kant klauen, wenn man sich mit ihm schmücken kann als tollem Zitat? Zitieren ist keine Sünde, sondern oberste Wissenschafterpflicht."

So viel Ethos hat nicht jeder. Dem Rektor der Uni Linz, Historiker Rudolf Ardelt, ist Ideenklau selbst schon "zweimal ärger" widerfahren. Er fand seine eigenen Analysen in der "raschen Publikation" eines Kollegen – nachdem er diesem vorher sein noch unveröffentlichtes Manuskript geschickt hatte. Konsequenz? "Ich hab ihm die Freundschaft aufgekündigt", sagt Ardelt.

Auf Studentenebene will die Uni Linz Plagiatslücken durch einen "Code" mit Richtlinien für korrekte Arbeiten und höhere Betreuungsintensität schließen: "Wir haben ein Limit eingeführt. Eine Person darf maximal 40 Arbeiten gleichzeitig betreuen. Dann wird es automatisch schwieriger, abgeschriebene Passagen durchzuschummeln." Doktorarbeiten werden schon länger in "Kolleg-Systemen" betreut. Ein elektronischer "Plagiatsfänger" wie ihn die Uni Wien für alle Arbeiten verwenden will, ist in Überlegung. Mehr Betreuung, aber auch eine klare gesetzliche Plagiatsregelung will die Bundes-ÖH. (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD Printausgabe, 11. August 2006)