Der britische Dirigent Ivor Bolton: "Prinzipiell ist es so: je größer ein Haus, desto größer die Probleme."

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Unter Chefdirigent Ivor Bolton hat das Mozarteum Orchester Salzburg auch international an Reputation zugelegt. Zurzeit macht es vor allem in Salzburg von sich reden. Ein Gespräch mit Ljubisa Tosic über Opernstress und die Akustik der Salzburger Musikräume.


Salzburg – Kommt man als Salzburger Orchester während der Festspielzeit ohnedies kaum zum Durchatmen, so weitet sich in einem Mozartjahr wie diesem das Gefühl, eher sehr beschäftigt zu sein, auf die gesamte Saison aus. Doch wiewohl das Mozarteum Orchester vor allem eingeladen wird, um den Jahresjubilar konzertant zu erwecken, gab es nach Chefdirigent Ivor Bolton bisher keine Orchesterrebellion.

"Da gab es keinen Proteste. Im Gegenteil: Die Musiker nehmen sich Zeit, kommen früher zu Proben. Es ist eine Entwicklung zu spüren, und die Einstellung ist großartig. Da ist ein gewisser Stolz bei den Kollegen, und sie genießen es, gute Spielmöglichkeiten zu haben. Und bei Mozart kann man immer etwas entdecken." Da nimmt man halt auch in Kauf, dass eine Reihe von Orchesterpositionen nach wie vor unbesetzt sind und dass viele Dienste und Überstunden nicht mehr nach dem Kollektivvertrag bezahlt werden können.

So ist man gleichsam mehr als zu hundert Prozent ausgelastet; man bestreitet hundert Konzerte in diesem Jahr – davon zehn Stück nun in Salzburg. Wobei: In diesem Sommer werden auch zwei Opern betreut, was nach Bolton auch Extrastress bedeuten kann: "Bei Opernproduktionen weißt man nie, was den Stress auslösen wird. Leute erkranken. Es muss Ersatz gesucht werden, und eine neue Person kann die Arbeit in einen Alptraum verwandeln." Man könne aber einen "Erfolg nicht garantieren – auch nicht mit den besten Sängern." Zudem: Liefert man als Orchester eine gute Leistung ab, dann geht sie unter, wenn die Regie Turbulenzen auslöst. So passiert bei Stefan Herheims Entführung, die heuer unter für das Orchester ruhigeren Bedingungen wieder aufgenommen wurde.

Bei der Premiere jedoch war es turbulent zugegangen, und "bei den Folgevorstellungen wurde es noch ärger", so Bolton. "Da war gewissermaßen der Geruch von Blut in der Luft, manche Leute haben sich sehr wild aufgeführt! Die Sänger waren tief getroffen. Herheim war nett, er ging hinaus, um die Buhs auf sich zu lenken. Aber er konnte auch nicht bei jeder Vorstellung dabei sein. Es war aber nicht für alle Sänger gleich schwer. Manche hatte ihre Auftritte in Augenblicken, da eine provokante Regie-Idee die Gemüter erhitzte. Diese Sänger hat der Unmut voll erwischt. Ich fand es auch traurig, dass das Orchesterer wirklich gut gespielt hat, dass aber niemand darüber sprach." Es hat sich mittlerweile aber doch herumgesprochen, dass das Mozarteum Orchester unter Bolton an Qualität zugelegt hat. Angesichts der Auftragslage musste man sogar dem Vatikan bezüglich eines Gastspieles einen Korb geben.

Die vielen Reisen sind zumindest für Bolton nichts Neues. Der Brite ist ein international gefragter Operndirigent, der auch im Barockbereich über Qualitäten verfügt. Klar, dass er auch einige Erfahrungen mit der Akustik diverser Räume hat.

"Dort, wo der Dirigent steht, ist an sich der heikelste Platz. Erfahrung hilft, aber ein neues Haus kann dich vor große Probleme stellen. Da muss oft ein Assistent helfen. Prinzipiell ist es so: Je größer das Haus, desto größer die Probleme."

Womit wir wieder bei Salzburg wären, das zwar mit dem Haus für Mozart akustisch glänzt. Aber da gibt es ja noch mehr: "Das große Festspielhaus ist ja vor allem gut für Konzerte." Und nächstes Jahr, da wird sich Bolton bei einer Opernproduktion mit der heiklen Felsenreitschule befassen. "Welche Oper es sein wird, soll aber Jürgen Flimm, der neue Intendant, sagen." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.8.2006)