Berlin - In einem gemeinsamen Aufruf haben jüdische und moslemische Intellektuelle von Teheran bis Tel Aviv einen sofortigen Waffenstillstand im Libanon gefordert. Bei der Veröffentlichung am Donnerstag in Berlin maß die Leiterin des Potsdamer Einstein-Instituts, Susan Neiman, Deutschland eine mögliche Schlüsselrolle bei der Konfliktlösung zu. Angesichts des deutschen "echten Engagements für eine gerechte Lösung" in der Region seien auch Bundeswehrsoldaten in einer internationalen Friedenstruppe denkbar. "Welthistorisch gesehen würde das allen Beteiligten gut tun", sagte Neiman.

Der Nahostkoordinator der Frankfurter Hilfsorganisation medico international, Martin Glasenapp, sagte nach einem zehntägigen Aufenthalt im Libanon, die Bevölkerung habe das Gefühl, dass die internationale Gemeinschaft das "unverhältnismäßige" Vorgehen Israels mittrage. Das in den vergangenen Jahren gestiegene Ansehen der USA, die Bemühungen um Demokratie und die Loslösung von Syrien seien durch Israels Bombardement im wahrsten Sinne des Wortes verschüttet worden.

Es sei zu befürchten, dass die radikal-islamische Hisbollah nach dem Krieg im Libanon eher noch eine stärkere Miliz sein werde. Von 3,8 Millionen Libanesen seien fast eine Million auf der Flucht. So wie Israel die libanesische Zivilbevölkerung als Geisel nehme, setze diese auf die Hisbollah zur Verteidigung des Landes. Und es sei schwer vorstellbar, wie die "schwache Regierung" in Beirut eine Miliz entwaffnen solle, die 40 Prozent der Bevölkerung repräsentiere und seit Wochen gegen eine hochgerüstete israelische Armee standhalte und die israelische Bevölkerung ebenso als Geisel nehme wie umgekehrt.

"Jeder neue Kriegstag nimmt eine weitere Polarisierung und Radikalisierung der libanesischen Gesellschaft billigend in Kauf." Feindbilder, Ressentiments und Militarisierung des Denkens blieben auf beiden Seiten auch nach dem Ende "dieses unsinnigen Krieges" bestehen. medico international unterstützt seit mehr als 20 Jahren sozialmedizinische Gesundheitsorganisationen im Libanon, in Israel und den Palästinensergebieten.

Der deutsch-iranische Orientalist Navid Kermani sagte, der Aufruf solle in den nächsten Tagen auch in Zeitungen im Iran, Libanon und Israel erscheinen. Darin heißt es unter anderem: "Wir lassen es nicht zu, dass unsere jeweiligen kulturellen und religiösen Traditionen für einen groß angelegten militärischen Konflikt vereinnahmt werden."

Zu den Unterzeichnern gehören die Philosophin Almut Bruckstein und der Komponist Sidney Corbett aus Berlin, der Teheraner Philosoph Bijan Abdolkarimi, die israelischen Professoren Hannan Hever und Luis Landa und der Grünen-Europaparlamentarier Cem Özdemir. (APA/dpa)