Foto: derStandard.at/Ruth Kager
"[...] Ich, sagte er uns, bin der Zweifler.
Ich zweifle, ob die Arbeit gelungen ist, die Eure Tage verschlungen hat.
Ob, was ihr gesagt, auch schlechter gesagt, noch für einige Wert hätte. [...]"

Schon morgens am Küchentisch schielt er mich an - der Brecht. Oder vielmehr der an den Ecken schon leicht zerfledderte und vom gelegentlich darüber tröpfelnden Blumengießwasser etwas in Mitleidenschaft gezogene Zettel im praktischen C5-Format mit seinem "Zweifler" drauf. Ein kirschroter Magnet hält und markiert an meinem Eiskasten leuchtend Brechts eindringliche Worte. Um 1937 datiert diese Warnung an all jene, die mit ihren aufgeschriebenen Wörtern ein Stück der Welt als "real" und "wahr" einfangen wollen.

"[...] Es kann auch zu eindeutig sein
und den Widerspruch aus den Dingen entfernen; ist es zu eindeutig?
Dann ist es unbrauchbar, was ihr sagt.
Euer Ding ist dann leblos. [...]"

Vor dem ersten Kaffee schmeckt er deswegen gar nicht - der "Zweifler". Auch danach ist mir mitunter etwas flau und schwindlig von dem im Kopf pulsierenden "Wem nützt es, was ihr da sagt?". Eine recht eindringliche Meditation, die am Weg in die Redaktion fortgesetzt werden kann.

"[...] Aber vor allem
immer wieder vor allem anderen:
Wie handelt man,
wenn man euch glaubt, was ihr sagt? [...]"

Ganz schlecht ist's, wenn die Tasten am Computer dort noch ganz widerborstig sind und die Lösch-Taste unwirsch über die bereits ausgespuckten Buchstaben huscht. Hatten die etwa auch gerade Brecht statt Kipferl zum Kaffee? (kafe)

Textstellen aus Bertolt Brecht "Der Zweifler", Werke, Band 14: Gedichte 4, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1993