Franco Page fotografierte sie alle, die großen alten Schätze des Yachtsports, so auch "The Lady Anne" aus dem Jahr 1912.

Foto: Delius Klasing Verlag

Lourdes, Mekka, Graceland, Stonehenge: Welche Orte sich auch immer zu Megapilgerstätten entwickelten, für die Verehrer der eleganten Variante der Seefahrerei etablierten sich in Saint-Tropez, Porto Cervo und anderen den Glückshormonen zuträglichen Orten, heilige Stätten, zu denen sich - gleich herausgeputzten Schwanfamilien - Jahr für Jahr ganz besondere Schiffe zu großen Klassikregat- ten wie den Régates Royales oder der Veteran Boat Rally versammeln. Es sind Schiffe aus Holz, welche die sieben Weltmeere bereits durchpflügten, als Plastik noch ein Traumstoff und der automobile Wahnsinn noch nicht mal als Albtraum zu ahnen war. Es sind Schiffe - sagen Sie niemals Boote - wie die Shenandoah, die Dorade, die Creole oder Stormy Weather. An ihren Namen hängt wie an ihren Rümpfen etwas Unnahbares, etwas ikonenhaftes, etwas, das Zeiten, Moden und Stürme überdauerte. Selbst die Namen der Konstrukteure und Werften von Abeking & Rasmussen bis Sparkman & Stephens werden in der Szene mit samtenen Stimmbändern ausgesprochen.

Ihre Yachten zu betreten - es sind Kutter, Slups, Ketschen, Yawls oder Schoner - bleibt dem Ottonormalschifferlfahrer in der Regel verwehrt, die Gangway wird zu einer Art Himmelspforte. Sie schauen zu dürfen wird zur Offenbarung für alle maritim Angehauchten.

Zum Glück gibt's diesbezüglich den Überdrüber-yachtfotografen Franco Pace aus Triest, sozusagen das Argusauge dieses alten Yachtadels, der die schwimmenden Schönheiten in allen Lagen ablichtete. Pace nimmt sich diese Monumente genau vor seine Linse, er setzt die blank polierte Schiffsglocke aus Messing ebenso ins richtige Abendrot wie die segelnden Majestäten in ihrer ganzen Pracht. In seinem Buch "Klassische Yachten im Mittelmeer" (Delius Klasing Verlag) zeigt der Meister auf gut 160 Seiten Schiffe, die jede Welle zum Kräuseln bringen und die Aufmachung des Bandes zeigt Respekt vor dem Inhalt.

Querschnitt aus 25 Jahren

Die Publikation ist ein Querschnitt aus gut 25 Jahren, in denen Pace die Wiederauferstehung einer Schiffsgattung dokumentierte, innerhalb derer viele Vertreter jahrzehntelang vor sich hingammelten, ehe sich der Seglerei frönende Krösusse ihrer Bedeutung besannen.

Wer sich von ihrem Anblick losreißen kann und sich den Textpassagen widmet, erfährt knapp, aber ausreichend die bewegte Geschichte der einzelnen Schiffe, liest von Drachenköpfen am Rumpf der Belle Aventure, Markenzeichen des schottischen Konstrukteurs William Fife III., von Gästekammern mit Bad samt Wanne, riecht förmlich das frisch geschrubbte Teak, das auf seinem Eichenrumpf ruht und darf auf jeder Seite von Neuem darüber begeistert sein, welch gestalterische Wunder sich mit dem Werkstoff Holz vollbringen lassen.

Freilich schmeckt dies alles auch ein wenig nach Bonzentum, Highsociety und unerreichbaren Liegeplätzen an schier unbezahlbaren Marinas. Was die große Gemeinschaft der Seebären und Alte-Donau-Kapitäne allerdings eint und über eventuell sprießenden Neid erhaben sein lässt, ist das Bewusstsein, dass auch die Orion (44 Meter lang, mit mehr als 1200 Quadratmetern Segelfläche bestückt und zum Niederknien) letztlich nur dann Spaß macht, wenn es das himmlische Kind namens Wind gut mit ihr meint, denn nur sein Zauber erfüllt letztendlich jedes Segel.
(Michael Hausenblas/Der Standard/rondo/11/08/2006)

Franco Pace:
"Klassische Yachten im Mittelmeer"
160 Seiten
Delius Klasing Verlag
Text: Svante Domizlaff
Euro 51,30
www.delius-klasing.de