Auf jugendlichen Überschwang folgt bald Horror: "In 3 Tagen bist du tot" von Andreas Prohaska.

Foto: Filmladen/Allegrofilm
Locarno - Das Internationale Filmfestival im Tessin wird im 59. Jahr seines Bestehens erstmals von Frédéric Maire geleitet. Der neue Direktor hat offenbar beschlossen, dem immer schwerer zu entsprechenden Begehr nach Glamour und Stars dadurch zu begegnen, dass er das Filmschaffen des eigenen Landes deutlicher positioniert.

So wurde die Abendschiene auf der Piazza Grande, dem Freiluftkino mit Platz für mehrere tausend Zuseher, vergangene Woche zwar mit Michael Manns "Miami Vice" eröffnet, damit – und mit einer Würdigung von US-Schauspieler Willem Dafoe – hatte sich die Hollywoodpräsenz für heuer aber erschöpft. Am nächsten Abend wurde auf der Piazza bereits das Team des Schweizer Films "Die Herbstzeitlosen" gefeiert (darunter auch die gebürtige Schweizerin und Burg-Doyenne Annemarie Düringer). Der gestrige Dienstag wurde überhaupt zum "Journée du Cinéma Suisse" erklärt.

In der Nacht auf Dienstag war die Piazza dafür in österreichischer Hand: Zu passender mitternächtlicher Stunde bedachte ein gut gelauntes Publikum die Weltpremiere von "In 3 Tagen bist du tot" mit Szenenapplaus. Der kompakte Thriller spielt nicht nur im Titel mit US-Teen-Horror-Vorbildern wie "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast". Der zweite Kinofilm von Regisseur (und Koautor) Andreas Prochaska ist deren intelligente Übertragung auf heimische Verhältnisse: Fünf oberösterreichische Maturanten werden mit einer seltsamen Todesbotschaft überrascht, die sich in bewährter Abzählreimmanier bewahrheitet, bevor die Betroffenen verstehen, was ihnen droht.

Getragen vom Spiel seiner jugendlichen Darsteller, weit gehend stimmig verortet, was Schauplätze und (angedeutete) Milieus betrifft, überzeugt der Film im Rahmen seiner eigenen Vorgaben. Das Ziel von Prochaska und Produzent Helmut Grasser, einen Genrefilm für die Zielgruppe der 15- bis 25-Jährigen zu realisieren (Kostenpunkt: rund 1,8 Millionen Euro), muss sich nun nur noch bei ebendieser bewähren: Ende September startet "In 3 Tagen bist du tot" mit 50 Kopien in den heimischen Kinos.

Ein "Festival der Entdeckungen" will Locarno sein – als solche verbucht der Direktor den für Österreich untypischen Genrefilm ebenso wie ein sprödes, aber um nichts weniger fesselndes Lehrstück aus Frankreich:

Der Dramaturg, Regisseur und Schauspieler Gilles Blanchard hat mit 28 Gefängnisinsassen und der Schauspielerin Béatrice Dalle eine filmische Version von Paul Claudels Stück "Tête d’or" erarbeitet. Vor den Augen des Betrachters geht eine doppelte Verfremdung, eine wechselseitige Affizierung von Text und Setting vonstatten: Das Gefängnis, die Männer und Dalle werden zu Protagonisten einer archaischen Tragödie. Die statischen Aufnahmen und die Kadrierung, die stets eine innere Spannung zwischen Bildebenen und Blickachsen erzeugt, gewährleisten, dass das Ergebnis als genuin filmische Arbeit bestehen kann. (Isabella Reicher aus Locarno/DER STANDARD, Printausgabe, 9.8.2006)