Agenturchef Dietmar Ecker hält Verzetnitsch und Weninger für "anständig". Anders wäre es ihm lieber, "da wäre die Causa Bawag stimmiger".

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Warum er als "Linker" Pferde züchtet, sich Falken hält und sicher ist, dass Geld (fast) nie verschwindet, eruierte Renate Graber.

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STANDARD: Sie waren Krisenmanager der Bawag, jetzt brennt es gerade bei der Kärntner Landeshypo, wo 328 Millionen Euro Verlust offenbar nicht richtig bilanziert wurden. Was ist los bei den Banken?

Ecker: Das ist nur ein zeitlicher Zufall, passiert immer wieder, wenn auch nicht in den Dimensionen wie bei der Bawag. Aus meiner Zeit im Finanzministerium könnte ich fünf, sechs ähnliche Fälle aufzählen, auch mit interessanten Dimensionen und Namen, aber das wurde damals alles abseits der Öffentlichkeit abgehandelt.

STANDARD: Das ist zumindest zwölf Jahre her, verraten Sie doch, um wen es ging.

Ecker: Das werde ich Ihnen erzählen, wenn ich am Zentralfriedhof liege. Lotte Ingrisch wird zwischen uns vermitteln, wenn Sie mich gießen kommen.

STANDARD: Erzählen Sie mir lieber lebendig, wie Sie als Roter das Bawag-Debakel erklären. Heinrich Treichl meint, es beweise das Scheitern der "sozialdemokratischen Subkultur".

Ecker: So etwas ärgert mich unglaublich. Am Zentralfriedhof erzähle ich Ihnen dann die Beispiele, die nicht zum sozialdemokratischen Milieu gehören. Bei der Bawag haben Menschen ihre Grenzen und Selbsteinschätzung verloren, und die Kontrollinstanzen haben versagt.

STANDARD: Der Eigentümer ÖGB war völlig überfordert?

Ecker: Der Gewerkschaftsbund war ein unsicherer Eigentümer und hat aus Überforderung die falschen Entscheidungen getroffen.

STANDARD: Unsicher sagen Sie vielleicht, weil Sie den ÖGB ab und zu beraten. War er nicht schlicht unfähig als Aktionär?

Ecker: Ich kann schon auch negativere Attribute finden. Aber ich bin überzeugt, dass sich weder Finanzchef Weninger noch Präsident Verzetnitsch persönlich bereichert haben, sondern sie wollten im Jahr 2000 einfach größeren Schaden abwenden.

STANDARD: Ziemlich schief gegangen. Sie entschuldigen das?

Ecker: Mir tut es Leid um beide. Es ist schade, dass ausgerechnet Verzetnitsch und Weninger wesentliche Verursacher dieses Desasters sind. Die ganze Geschichte wäre leichter zu ertragen und stimmiger, wenn der ÖGB-Präsident und sein Finanzchef korrupte, böse Männer wären. Aber sie sind anständige Leute. Klingt angesichts des Desasters blöd, ist aber so.

STANDARD: Es war anständig von ihnen, heimlich ÖGB-Vermögen zu verpfänden und Haftungen zu übernehmen?

Ecker: Die Folgen kennen wir heute. Beide waren mit der Situation völlig überfordert, hingen am Glauben an einzelne Personen, die den Kapitalismus beherrschen können. Das ist für eine Gewerkschaftsbewegung ja besonders interessant: Man hat tatsächlich geglaubt, dass der Kapitalismus mit hochriskanten Geschäften beherrschbar sei – eine furchtbare Fehleinschätzung.

STANDARD: Die die Bank und den ÖGB fast in den Ruin geführt hat und zwingt, seine Bank zu verkaufen. Das dürfte aber sowieso besser sein, oder?

Ecker: Die Frage ist doch, was die Wirtschaft aus der Bawag lernt. Etwa, dass das Aufsichtsratssystem in Österreich schwer unterentwickelt ist, denn nicht nur in der Bawag haben Aufsichtsräte eine Beißhemmung und erfüllen ihre Kontrollfunktion nur auf dem Papier. Dazu kommt das psychologische Biotop der Männerfreundschaft, der irrwitzige Glaube, dass einer, der vorher alle reingeritten hat, das Problem nachher lösen kann. Man lernt auch, dass es nicht zu Unrecht Leute gibt, die sich bei Bilanzen auskennen. Hätte man 1994 den Maßnahmenkatalog des Finanzministeriums umgesetzt und 1995 die Auflagen des Aufsichtsrats nachhaltig umgesetzt, hätte das alles gar nicht passieren können. Eigentlich war das eine Mischung aus absichtlicher Verdrängung, Nicht-Wissen-Wollens und danach einem Moment des ungläubigen Staunens darüber, dass so ein großer Schaden entstehen kann. Und es ist völlig absurd, dass ein Vorstand Geschäfte mit seiner Familie macht, wie das Walter Flöttl getan hat. So etwas tut man nicht, so etwas führt zum Desaster. Basta.

STANDARD: Sie entfleuchen: Ist es gut, dass der ÖGB jetzt seine Bank verkaufen muss?

Ecker: Faktum ist, dass die Bank knapp davorstand, nicht mehr weiterzuexistieren. Nach so einem riesigen wirtschaftlichen Debakel kann man sich nichts mehr aussuchen, sorry. Mit einem guten Eigentümer kann die Bawag eine interessante kleine Bank in Zentraleuropa werden; und der ÖGB geht reformiert aus all dem hervor. Weil entweder wird der ÖGB zu einer Vorzeigegewerkschaft Europas, oder er ist tot.

STANDARD: Sie haben zuerst erzählt, was die Wirtschaft aus der Causa Bawag ableiten soll. Was lernt denn ein Sozialdemokrat wie Sie aus dem Sturz der Arbeiterbank?

Ecker: Der Linke lernt daraus, dass er mit seiner Kritik Recht hatte und der Kapitalismus so ist, wie er ist, wenn er keine Grenzen bekommt. Und dass wilde Veranlagungen nur dazu führen, dass einige wenige einige viele ausnehmen. Weil wenn so viel Geld verschwunden ist, muss es irgendwer bekommen haben. Das Geld liegt ja nicht auf dem karibischen Meeresgrund, Scheine versinken nicht. Der, bei dem die Kohle gelandet ist, hat sich sicher gefreut über die großartige Strategie der Bawag. Geld verschwindet nie.

STANDARD: Außer bei mir.

Ecker: Bei mir auch.

STANDARD: Mag sein, aber Sie besitzen eine Agentur, die 40 Mitarbeiter hat und 5,5 Millionen Euro Umsatz macht.

Ecker: Ja. Jedenfalls: Die klugen Linken, die mit guter Ausbildung, die Gruppe Revolutionärer Marxisten, GRM, ist ja in den 80ern scharenweise in die Banken gegangen ...

STANDARD: Ah, wir reden vom „roten Willi“ Hemetsberger, heute BA-CA-Vorstand ...

Ecker: ... mit ihrem Wissen über den Kapitalismus sind sie heute Europas beste Börsenspekulanten und Investmentbanker. Die haben die Analyse richtig gemacht. Beim ÖGB hat man dagegen geglaubt, der Kapitalismus ist doch nicht nur bös, wie wir es gelernt haben, er ist auch gut – und die sind reingeplumpst. Heute wissen sie, dass unbegrenzter Kapitalismus doch so bös ist, wie sie es gelernt haben.

STANDARD: Apropos gut und böse: Hätte eigentlich Finanzminister Lacina mit seinen Beaufsichtigten Yachtausflüge gemacht, so wie Minister Grasser mit Banker Julius Meinl?

Ecker: Aber sicher nicht, der Ferdinand war ein Vorbild für politische Anständigkeit. Macht, wenn man sie ernst nimmt, macht einsam und kostet mehr Freundschaften, als sie bringt.

STANDARD: Sie beraten den neuen Bawag-Chef Ewald Nowotny, warum tut er sich das an? Er könnte ein ruhiges Leben als Uni-Vizerektor führen.

Ecker: Ich wurde schon im Herbst, noch unter Johann Zwettler, beigezogen; unter Nowotny hat sich dann langsam das Ausmaß des Desasters gezeigt. Für ihn war das eine besondere Katastrophe: Da kommt ein hochanständiger Mann dorthin, wird zuerst gar nicht informiert und bekommt dann die ersten Polsterzipfel an Information, worauf er wirklich sitzt: auf der Titanic.

STANDARD: Allerdings ohne diesen hübschen jungen Mann vorn am Bug ...

Ecker: Ja, ohne Brad Pitt.

STANDARD: Leonardo di Caprio!

Ecker: Von mir aus, vor allem aber: ohne Bug. Tolle Situation für den Käpt’n, den man gebeten hat, über den Atlantik zu segeln, ohne ihm zu sagen, dass man den Bug abgeschnitten hat und der Schiffsbauch längst voller Wasser ist. Aber runterspringen konnte Nowotny da nicht mehr, dann wäre die Bawag gesunken.

STANDARD: Und nach Bawag- und ÖGB-Skandal versinkt die SPÖ bei den Wahlen?

Ecker: Schüssel kann natürlich eine Bronzestatue von Elsner in der Lichtenfelsgasse aufstellen lassen, mit der Inschrift: "Danke, Helmut". Aber die SPÖ könnte das schon noch in Stärke umwandeln, die Loslösung von der Gewerkschaftsbewegung ist nur eine erste Reaktion. Man wird sehen. Die ÖVP könnte zu überheblich werden; Generalsekretär Lopatka wird ein bisserl präpotent, hat sogar schon den Bundespräsidenten kritisiert.

STANDARD: Oh, ein Sakrileg. Sie haben Heinz Fischer unterstützt; wie gefällt er Ihnen als Opa der Nation?

Ecker: Aber geh! Ihm ist das Präsidentenamt auf den Leib geschrieben. Hätte Hans Kelsen (Schöpfer der Bundesverfassung 1920, Anm.) Heinz Fischer gekannt, wäre das die "Fischer-Verfassung" geworden. Er gibt der Mehrheit der Österreicher das Gefühl, seine Arbeit anständig zu machen. Das vermittelt Sicherheit.

STANDARD: Sie selbst sind ja ein linker Unternehmer ...

Ecker: Ja, Teil dieses roten Netzwerkes, das nicht wirtschaften kann ...

STANDARD: ... und nicht mit Messer und Gabel essen kann...

Ecker: Ich esse vorzugsweise rohes Fleisch, und selbstverständlich bekämpfe ich auch jeden bürgerlichen Kulturbetrieb. Sie wollten etwas fragen.

STANDARD: Ja, ob Ihnen die ÖVP nicht näher stünde. Wählen Sie die SPÖ Gusenbauers aus vollem rotem Herzen?

Ecker: Nein, aber ich fühle mich wohler in der Nähe der SPÖ. Für die ÖVP bin ich ein Linker, für die SPÖ ein Kapitalist. Aber ich hasse diese Einkastelungen in Rot, Schwarz, Blau in diesem Land; das ist ja nicht dicht. Es geht doch um Werthaltung: Francesca Habsburg macht Tolles für die Kunst; ich kenne konservative Unternehmer, die sitzen weinend da, weil sie zwei Leute kündigen müssen. Das ist alles nicht rechts oder links. Genauso ist unser Bildungsproblem ein gesellschafts- und kein parteipolitisches. Ich hätte ja gern einen Unterrichtsgegenstand Zivilcourage an den Schulen. Das wäre das Wichtigste bei unserer Geschichte, wir haben keine 48er-Revolution geschafft, am Heldenplatz brav das Handerl gehoben, und dann waren wir Ami-Freunde.

STANDARD: Woran merkt man denn Ihre Zivilcourage?

Ecker: Ich nehme keine unanständigen Aufträge an, melde mich bei Missständen zu Wort, finanziere Sozialprojekte. Aber ich geb zu, auch ich bin kein Che Guevara.

STANDARD: Nicht wirklich, Sie leben auf einer Ranch, züchten Dressurpferde, halten Falken und fahren schnelle Autos.

Ecker: Ja, diese bäuerliche Idylle gebe ich mir, und trotzdem liebe ich es, im schnellen Auto mit 250 km/h über die deutsche Autobahn zu fahren. Und ich genieße es, mich ins Privatleben zurückzuziehen, weg von Leuten, die ständig über sich selbst reden, weg von den Ichbespritzern, wie sie der Komponist Anestis Logothetis genannt hat.

STANDARD: Sie rasen im spritzigen Porsche herum, wollten sich eine Zigarrenfabrik kaufen, beraten Gewerkschaft und Arbeiterbank, tragen eine aus Voest-Stahl geschmiedete Uhr. Ist alles mit allem vereinbar?

Ecker: Die Uhr kennen Sie? Die haben ganz wenige, haben mir die Voestler nach dem Wahlkampf 1995 geschenkt. Und das mit dem Widerspruch ist mir ganz wurscht – auch wenn das das hohe Gericht der Sozialdemokratie gar nicht für gut hielte. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5./6.8.2006)