Die Südfront gleicht nun wieder weit gehend ihrem Originalzustand. Nur die rote Terrasse ist neu: Sie wurde mit respektvollem Abstand zum Haus wie eine Brücke gelegt.

Foto: fiedler.tornquist
Graz - Eines der wenigen erhaltenen Beispiele dafür, dass es in der Zwischenkriegszeit in der Steiermark Architektur im Format der internationalen Moderne gab, drohte bis 2005 zu verfallen: Das Haus Lind, ein 1936 von Herbert Eichholzer erbautes Einfamilienhaus in der Grazer Rosenberggasse, wurde von einem stadtbekannten Anleger gekauft und nach abgebrochener Sanierung drei Jahre dem Verfall preisgegeben. "Das ist eine bewährte Methode für den Beginn vom Abriss", erinnert sich der Grazer Architekt Johannes Fiedler.

Gemeinsam mit einem prominent besetzten Personenkomitee erreichte Fiedler aber, dass der Bau unter Denkmalschutz gestellt und so für den Besitzer uninteressant wurde. Seit einem Jahr gehört das Haus nun einer Arztfamilie, die es - im Sinne von Eichholzers Formensprache - von Fiedler und dessen Ehefrau Jördis Tornquist umbauen ließ.

Ein Happy End für ein Haus mit bewegter Geschichte, das ein Mann mit einer noch bewegteren Geschichte baute. Denn der sozial denkende Architekt wurde 1943, im Alter von 40 Jahren, von den Nationalsozialisten ermordet - er hatte sich dem kommunistischen Widerstand angeschlossen. Zuvor hatte er im Pariser Architekturbüro Le Corbusiers und in Ankara gearbeitet.

Neben Siedlungsbauten plante Eichholzer auch zukunftsweisende urbane Wohnräume für Familien und Singles. Dabei verweigerte er sich dem Repräsentativen, Gutbürgerlichen. Das Haus Lind, das auf den Grundfesten eines alten Industriegebäudes entstand - die Natursteinmauer ist noch zu sehen - ist dafür ein Beispiel. Aber auch für die schwebende Leichtigkeit, die für Fiedler ein Sinnbild für das entwurzelt Kosmopolitische in Eichholzers Leben ist, dass er nationalistischen Heimatgedanken entgegenbaute.

Auf dem Grundstück des Hauses Lind musste einst eine Fabrik schließen. Das Grundstück fiel an eine Bank, die es mit Häusern für Mitarbeiter bebauen ließ. "Das Gustostückerl ließ sich der Bankdirektor von Eichholzer bauen", erzählt Fiedler.

Am liebsten wäre den Architekten und dem Komitee, dem auch Peter Weibel und Friedrich Achleitner angehörten, eine öffentliche Nutzung samt Eichholzer-Archiv gewesen. Doch die Stadt schlug nicht schnell genug zu. Nun konnte es immerhin erhalten und in manchen Details - wie einer durchgehenden Fensterfront - dem Originalzustand sogar näher gebracht werden. (Colette M. Schmidt / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.8.2006)