The Sleepy Jackson: "Personality (One Was A Spider - One Was A Bird)" (EMI)

Foto: EMI
Das klingt jetzt schrecklich. Aber es klingt gut.


Mit dem Debüt "Lovers" von The Sleepy Jackson gelang Banddiktator Luke Steele 2003 ein wunderbar ausschweifendes Meisterwerk im Segment eines Pop, der neben unwiderstehlichen Melodien vor allem auch den bis ins kleinste Detail stimmigen Arrangements Augenmerk widmet. Das hört man heute so nur mehr selten. Jubilierende Chöre zu streng melodramatisch und zart hysterisch aufgeladener Musik legten Spuren zu großen Vorbildern. Es geht leider nicht anders, aber: Brian Wilson von den Beach Boys, das tragische Genie eines maßlosen Gassenhauerkunsthandwerks, stand ebenso Pate wie die Produktionstechniken eines Phil Spector mit seinem legendären "Wall of Sound". Selbst heute oft zu Recht geschmähte Großmeister folgender Generationen der Maßlosigkeit, etwa Jeff Lynne vom Electric Light Orchestra oder das Produktionsteam der heute längst vergessenen australischen Landsmänner von Luke Steele, Harry Vanda und George Young von den mit dem 77er-Hit Hey St. Peter bekannt gewordenen Flash And The Pan, gelten als mittelbare Blaupause für die Songs von The Sleepy Jackson.

Einen ähnlich unerbittlichen, nun ja, Huscher wie seine Vorbilder dürfte Luke Steele übrigens auch insofern besitzen, als The Sleepy Jackson mit ständig neu rekrutierten und schnell wieder freigestellten Hilfskräften in der Band jetzt auf dem neuen Album Personality (One Was A Spider - One Was A Bird) in 13 Songs eine Opulenz entwickeln, die sich möglicherweise kommerziell nicht ausgehen wird. Abgesehen vom derzeitigen Drummer Malcolm Clark hat Steele in den acht Jahren seit Gründung der Band daheim in Perth mehr als zehn fixe Mitglieder verbraucht. Er schreckte auch nicht davor zurück, seinen eigenen Bruder wegen Unfähigkeit zu feuern. Erklären Sie das einmal Mutter!

Wenn es darum geht, ohne Scham und Genierer in kitschigen Klängen zu baden, die sehr, sehr oft auch noch dazu nur knapp am Abgrund des deutschen Schlagers der 70er-Jahre vorbeischrammen, dann werden trotz des Fehlens von wirklich zwingenden Hits - wie etwa Good Dancers von 2003 - Freunde der Ablehnung jedweden Genierers auch jetzt wieder ihre Freude an Popmusik haben, die neben Luke Steeles eindringlich mit Kandisin versüßter Stimme ihren wesentlichen Reiz aus einem bezieht: Wie man anhand der exemplarischen aktuellen Single, God Lead Your Soul, schön beschreiben kann: Luke Steele ist ein absoluter Meister darin, auch und gerade banale musikalische Inhalte so lange gegeneinander abzuwägen und miteinander zu verschränken, dass am Ende hochkomplexe und von Brian Wilson einst geforderte Taschensinfonien entstehen. Der besagte Song startet mit einem schmierigen A-capella-Chor, dann setzt eine Schunkelgitarre aus der Schule der alten britischen Pop-Bierzeltgötter Smokie aus den 70er-Jahren ein. Eine Steel Guitar wimmert zart, die Chöre leiten in die Bridge über. Und zusammen mit dem Chor bratzen jetzt auch noch Streicher und Bläser in eine gebrochene Hymne, die so auch dem späten Roy Black oder Roy Orbison gefallen hätte.

Der gerade wieder einmal intellektuell und also theoretisch wiederbelebte deutsche Schlager hätte sich dank seiner international weit reichenden Auswirkungen schon auch wieder einmal ein Revival verdient. Luke Steele, der junge Spinner aus Australien, kämpft diesbezüglich an vorderster Front. Es geht ein Zug nach Nirgendwo. (Christian Schachinger / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.8.2006)