Im ÖGB sieht man das offenbar anders, Präsident Rudolf Hundstorfer hatte ja im Sommergespräch des Standard angekündigt, dass neben GPA-Chef Wolfgang Katzian "noch mehr Gewerkschafter kandidieren" würden. Für den BZÖ-Spitzenkandidaten Peter Westenthaler bedeutet das, dass Gusenbauer "die Wähler angeschwindelt" habe.
"Masterplan" fehlt
Der Staatswissenschafter Emmerich Tálos ist einer Meinung mit dem SPÖ-Chef, was die Einschätzung der bisherigen Reformankündigungen betrifft: "Was bisher bekannt geworden ist, lässt nicht darauf schließen, dass der ÖGB bald eine der modernsten Gewerkschaften Europas werden wird." Er sehe in den Ankündigungen lediglich "das Gleiche vom Selben" und vermisse einen "Masterplan", sagte Tálos zum Standard.
Die angekündigten, weiteren Fusionen von Einzelgewerkschaften hält Tálos für nicht ausreichend – wenn dahinter kein Konzept stehe, "für wen die Gewerkschaft steht". Das Versprechen, Doppelgleisigkeiten abzubauen und die Administration zu verschlanken, müsse sowieso passieren – "das ist die Peitsche des Geldmangels".
Das Problem sei, dass der ÖGB "im Wesentlichen die Interessen der vollzeitbeschäftigten Männer vertritt". Teilzeitbeschäftigte Frauen oder atypisch Beschäftigte hätten bis dato "sehr wenig Anreiz, dem ÖGB beizutreten". Die Vorschläge des Wissenschafters: "Für die Einführung der Grundsicherung eintreten, in offenen Runden diskutieren statt in tradierten Bahnen." Auch über GPA-Chef Katzians Vorschlag im Standard, künftig nur eine Gewerkschaft für alle Beschäftigten zu führen, sollte "zumindest diskutiert werden".