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Hunderte Aromen, tausende Wirkungen, wenig Wissen über die Zusammenhänge: die "Duftorgel" der Firma Dragoco/Symrise in Hamburg.

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Unzählige deklarierte und nicht deklarierte Substanzen tragen zum besseren Ruch von Haushaltsprodukten bei, speziell in der heißen Jahreszeit sollen Düfte Ausdünstungen kaschieren. Die Nebenwirkungen sind zu wenig erforscht. Untersuchungen warnen vor einer Reizüberflutung.

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Berlin - Der richtige Duft macht vieles leichter. Doch was der Nase gefällt, muss für die Gesundheit nicht gut sein, denn manche Duftstoffe lösen Allergien, Reizungen und Missbefinden aus. Im Alltag sind inzwischen immer mehr Menschen zu Hause, aber auch im Büro, Einkaufszentrum oder Kino oftmals unfreiwillig Duftstoffen ausgesetzt.

Medizinisch sind Kontaktekzeme häufige Erscheinungen von Duftstoffallergien. Charakteristisch für sie ist der direkte Hautkontakt, wie bei Kosmetika, Parfüms oder Reinigungsmitteln. Herauszufinden, welcher Stoff die Allergie ausgelöst hat, ist indes schwierig. Parfümöle in Duschgels bestehen aus bis zu 30 Einzelsubstanzen, Parfüms aus 150 und mehr.

Beim Einatmen können Duftstoffe durch Gewebe- und Schleimhautreizungen Beschwerden auslösen und neben harmlosem Augenjucken bei Neurodermitikern auch einen akuten Schub oder bei Asthmatikern einen Anfall auslösen. Eine aktuelle Studie am US-Institute of Environmental Health Sciences fand jetzt heraus, dass der in vielen Lufterfrischern, WC-Steinen, Mottenkugeln und anderen duftenden Produkten vorkommende chemische Stoff 1,4 DCB die Lungenfunktion insbesondere bei Kindern und Asthmatikern merklich schwächen kann.

Wird durch die Dauerbeduftung der Geruchssinn übermäßig beansprucht, kann es zudem zu Kopfschmerzen und Übelkeit kommen, bei Aversion gegenüber bestimmten Düften auch zu Stress oder Angst.

Nebenwirkungen kaum erforscht

Etwa 15 Substanzen, darunter Geraniol und Orangenöl, machen mengenmäßig 95 Prozent der Duftstoffproduktion aus. Sie sind recht gut auf ihre Wirkungen für Umwelt und Gesundheit untersucht. Über die genauen Auswirkungen der anderen insgesamt 2500 bis 3000 Duftstoffe mit geringen Produktionsmengen liegen jedoch kaum Erkenntnisse vor.

Zwar besteht für die meisten Produkte keine gesundheitliche Gefährdung, sagt Umwelthygieniker und Mediziner Wolfgang Straff vom deutschen Umweltbundesamt in Berlin. Allerdings addiert sich die Exposition durch ständigen Kontakt im Laufe des Tages auf Konzentrationen und einen Duftstoffcocktail, deren Wirkung man nicht einzuschätzen vermag.

26 allergene Duftstoffe wie Isoeugenol, Citral oder Hydroxycitronellel müssen laut EU-Recht für kosmetische Mittel auf der Produktverpackung deklariert sein, wenn sie bestimmte Konzentrationen überschreiten. Als Resultat bleiben die Hersteller jetzt unter den allergieauslösenden Konzentrationen, so Straff.

Rückgang von Allergien

Das habe zu einem deutlichen Rückgang der Duftstoff-Allergien geführt. Empfindliche Allergiker haben dadurch jedoch keine Möglichkeit mehr, gezielt Duftstoffe zu meiden. Andere Hersteller weichen auf Duftstoffe aus, die nicht deklariert werden müssen, aber auch nicht auf ihr allergenes Potenzial hin untersucht sind.

Eine Analyse des Niedersächsischen Ernährungsministeriums fand in den meisten von 210 untersuchten Produkten Stoffe mit allergenem Potenzial. Bei Allzweckreinigern und Weichspülern gab es kein einziges Produkt "ohne" im Angebot. Experten mahnen daher: Duftstoffe im Haus nur gezielt und vorübergehend einsetzen. Soll damit ein unangenehmer Geruch maskiert werden, dann nach der Quelle suchen und diese beseitigen. Oftmals hilft schon regelmäßiges Lüften. (Andreas Grote/DER STANDARD, Printausgabe, 2. 8. 2006)