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Anna Netrebko (l.) als "Susanna" und Christine Schäfer als "Cherubino" am Samstag, 22. Juli, während der Fotoprobe von "Le Nozze di Figaro" in Salzburg. W.A. Mozarts Oper hatte im Rahmen der Salzburger Festspiele am 26. Juli im "Haus für Mozart" Premiere.
Foto: APA/Techt
Anna Netrebko ist - etwas selbstverschuldet - in gewissem Sinne arm. Als ernsthafte Sängerin hat sie mit erheblichem Coverstory-Aufwand dazu beigetragen, dass ihr Popularitätsvorsprung zu Kolleginnen auch gleich für einen Qualitätsvorsprung gehalten wird. Wenn sie eine gute Leistung bietet (wie jetzt in Salzburg), dann wundert sich manche/r, dass in der "Netrebko-Show" auch andere noch sehr gut (und bei Mozart um Nuancen profunder) singen.

Womöglich wird der Boulevard daraus eine Netrebko-Niederlage konstruieren, womöglich Christine Schäfer (als Cherubino) zur Siegerin erklären. Klar ist aber: Die Netrebko schätzt Kollegin Schäfer, nennt sie eine tolle Mozartinterpretin, zu der sie gar nicht in Konkurrenz treten will. Klar ist auch: Schäfer ist kein Neuling, ihre Qualitäten sind bekannt. In Salzburg war sie schon Lulu und auch Cherubino, beim Salzburger Figaro hat sie einfach einen Glanzabend hingelegt.

Businessmäßig hat die aus Frankfurt kommende Tochter eines Fleischhauers und Mutter zweier Kinder der Netrebko Erfahrungen voraus. Und sollte man sie nun hochstilisieren zu einer Siegerin in einem Kampf, der keiner war, sollten Plattenfirmen auftauchen und ihr etwas anbieten wollen - dann wird sie wohl entspannt bleiben. Sie kennt den Rummel, sie hat da schon einiges hinter sich - etwa einen Exklusivvertrag bei der Deutschen Grammophon, die jetzt Netrebko betreut.

Den Vertrag gibt es allerdings nicht mehr, denn man wollte Schäfer als Moderne Sängerin vermarkten. Sie aber lehnte ab, weil dies eine Repertoirefixierung dargestellt hätte. Die Moderne ist Schäfer dennoch immens wichtig. Wegen der Lulu ist sie Sängerin geworden, Mozart mochte sie nicht wirklich, als Teenager hat sie sich mit schräger Musikkost vollgedröhnt wie andere nun mit Tokio Hotel. Sie war, so Schäfer, von Dissonanzen hypnotisiert.

Auch hat sie in diesem Bereich mit Boulez erfolgreich CDs aufgenommen. Aber das sollte nicht das Image dominieren. Schäfer ist eine moderne, flexible Sängerdarstellerin, die gerne die Winterreise aufnimmt und sich dennoch mit Nikolaus Harnoncourt in die Wiener Klassik vertieft.

Auf der Bühne möchte sie in Rollen schlüpfen, so intensiv, dass sie sich selbst nicht mehr erkennt. Und überhaupt: Es sollen die Uhren stehen bleiben, wenn sie singt, so Schäfer (Jahrgang 1965). Das klingt pathetisch. Dahinter verbirgt sich jedoch einfach der Wunsch zu gestalten, was ihr nun in Salzburg als Cherubino glänzend gelang.

Sollte jetzt wieder der Rummel ausbrechen (auch die Netrebko verdankt ihre Karriere Salzburg), so wird er an Schäfer wohl abprallen. Sie weiß, dass es auch nach dem Hype ein gutes SängerInnenleben gibt - auch für Netrebko keine schlechte Nachricht. (Ljubiaa Toaiæ/D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 28.7. 2006)