Aber so war alles Wonne. Und Waschtrog: Das Gelsenrepellent wirkte. Wir konnten die Köpfe an die hinter uns montierten Absperrungsbalken lehnen. Nicolas Cage war in jenem Ausmaß böse, das Blockbusterpublikum in einer Sommernacht zumutbar ist – und das (einzige) freitagtaschenkompatible Grüppchen nebenan freute sich ganz ohne von uns dazu angespornt oder motiviert worden zu sein, dass man hier eben so gar nicht schick, cool oder sonstwie überlegen tun müsse – und sich trotzdem (oder eben gerade deshalb) wohl fühlen könne.
Olivia Newton John
Aus den Boxen über der kleinen Bühne neben den Gastroständen war "Xanadu" geblubbert. Und die Leggings der beiden Dame, die neben uns auf der Heurigenbank gesessen hatten, waren modern gewesen, als Olivia Newton John in Jugendzimmern affichiert war. Die beiden Frauen unterhielten sich in einer Sprache, die unsere deutschen Begleiter nach einer halben Stunde nicht als ansatzweise deutsch identifiziert hatten. Dass B. behaupteten, der Singsang sei zwar derb, aber nicht ordinär – und in jedem Fall deutsch, glaubten sie erst, als ich mich in das Gespräch der Frauen kurz einklinkte. Ich stamme schließlich von nebenan. Aus Favoriten.
Kurz: Wir waren in Simmering. Beim Kinosommer auf Schloss Neugebäude. Und wie jedes Mal war auch diesmal einer dabei (B.), der zunächst bei der Erwähnung von Simmering die Augen verdreht hatte („Leute, ich komme aus den Tiefen Meidlings. Und ich muss nicht unbedingt dorthin zurück – was soll ich in Simmering?“) und dem die Existenz eines Schlosses ebendort („Concordia, das mit der Jesusstatue – aber Neugebäude..?“) bisher verborgen geblieben war.
Urnenhain
Doch – ebenso wie jedes Mal – mit vereinten Kräften und unter Androhung, den Rest des Sommers alleine zwischen Augarten, Krapfenwaldlbad und Naschmarkt herumgondeln zu müssen, verfrachteten wir auch B., den Zweifler, in ein Auto und draußen, hinter dem Simmeringer Urnenhain fiel ihm dann die Kinnlade herunter: „Fein hier.“ – dabei waren wir da noch gar nicht im Kino drinnen.
Schloss Neugebäude lag wie ein aus dem Rucksack eines vorbeifliegenden Märchenfilm-Impressario zwischen Felder und Gemeindebauten gepurzeltes Stück Bühnenbild da, wo es über zig Jahren vom Rest der Welt übersehen worden war: Dicke, untersetzte, runde Türme. Schroffe, über die Äcker wachende Mauern – und dazwischen, im ersten Hof, knirschte der Schotter unter den Füßen der mit Sparerib- und Kotelettgrilltellern schwer beladenen Sommernachtbesucher: „Fett!“ seufzte B., der Meidlinger Ex-Skeptiker, „Pures Fett wohin man schaut“ Als er diesen Satz dann das zweite Mal wiederholte, spielte schon ein freudig-gieriges Lächeln um seine Lippen. Und beim dritten Mal war es die Einleitung zu seiner Bestellung an einem der Fressstände.
Ruderleiberl
Die Tische waren voll – aber die Leute rückten zusammen. Vermutlich, sagte B. später, als wir wieder außer Hörweite waren, hätten wir das umgekehrt nicht gemacht: Ruderleiberln und Fliflops trugen wir zwar alle – aber Bodybuilderhosen mit Wohnzimmercouchcamouflagemuster unter kleinen Bananentäschchen, rauchend-stillenden Müttern, dickleibigen Männern mit wucherndem Rückenhaar und mehrreihigen Panzerkettearmbändern oder halbkahlgeschorenen Knaben in „Pitbull“-Shirts hätten wir wohl in unseren angestammten Revieren nicht ungefragt Patz gemacht. Und das, sagte B., läge wohl nicht daran, dass der Gegenbesuch kaum je stattfände. Die PA spielte Abba. „Knowing me, knowing you.“
An der Kinokassa, fragte B. dann, wie lange vor Filmbeginn man den Platz reservieren müsse: Augartenerfahrung. Aber das Mädchen im Container lachte: 500 Plätze gäbe es – jetzt. 20 Minuten vor Filmstart, wären gerade 69 Karten verkauft. Und das läge nicht am heutigen Film: „Das Programm ist echt total gemischt – aber wir waren noch nie ausverkauft. Und am Wetter kann es wirklich nicht liegen.“
Nachzügler