Maximilian Edelbacher freut sich auf den Ruhestand. Polizeiarbeit sei nicht mehr befriedigend. Nun widmet er sich verstärkt seinen Büchern und Bühnenauftritten.

Foto: Robert Newald
Maximilian Edelbacher, einer der erfahrensten Kriminalisten Österreichs, verabschiedet sich in den Ruhestand. Die Polizeireform habe die Exekutive geschwächt, interne Intrigen seien derzeit so schlimm wie noch nie, bilanziert er im Gespräch mit Michael Simoner.

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Standard: Ab 1. August sind Sie Pensionist. War das geplant?
Edelbacher: Ich bin 61, hab die nötigen 40 Dienstjahre. Eigentlich wollte ich länger bleiben, aber die Polizeitätigkeit ist nicht mehr befriedigend. Im Februar ist mir bewusst geworden, dass es höchste Zeit ist, zu gehen.

Standard: Ihre Karriere wurde aber schon vor vier Jahren abrupt gestoppt, nachdem Sie dem damaligen Innenminister Ernst Strasser "Management by Chaos" vorgeworfen hatten.
Edelbacher: 2002, vor der großen Reform war ich noch ehrlich überzeugt davon, dass Veränderungen in der Polizei zum Besseren führen könnten, aber dann wurde gleich das Kind mit dem Bad ausgeschüttet. Das Sicherheitsbüro wurde aufgelöst, der Kriminaldienst zentralisiert, die bestehenden Strukturen entblößt. Davor habe ich gewarnt, weil alle internationalen Erfahrungen dagegen gesprochen haben. Ich wurde aber fachlich nicht einmal ignoriert, statt dessen strafversetzt und degradiert. Jetzt erkennen die Reformer, dass es nötig ist, wieder dezentrale Strukturen aufzubauen.

Standard: Hat es je ein klärendes, persönliches Gespräch mit Strasser gegeben?
Edelbacher: Niemals, obwohl ich mich darum bemüht habe. Sogar ein gemeinsamer Bekannter – Strassers Friseur ist einer meiner Tennispartner – wollte vermitteln. Umsonst.

Standard: Strassers Amtszeit haben Sie aber noch überdauert. Was war letztendlich ausschlaggebend für Ihren freiwilligen Rückzug?
Edelbacher: Die Demontage des akademischen Dienstes im Kriminaldienst. Polizeijuristen wurden völlig entmachtet, wir werden nur mehr als Revisionsabteilung gesehen. Angesichts dieser geschaffenen Kluft zwischen Exekutive und Behörde war mir klar, jetzt ist der Zug abgefahren.

Standard: Von 2000 bis 2005 ist die Zahl von Straftaten in Österreich von 500.00 auf 605.000 gestiegen. Gleichzeitig ging die Aufklärungsrate von 51 auf 39 Prozent zurück. Ist das eine Negativ-Folge der Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie?
Edelbacher: Nicht nur, aber auch. Die Reform hat die Polizei geschwächt. Der Mitarbeiterstand sank innerhalb kurzer Zeit von 33.000 auf 26.000. Jetzt werden zwar wieder neue Mitarbeiter aufgenommen, der Stand wird sich bei 27.000 einpendeln. Das heißt, die von der Regierung vorgegebene Beamteneinsparungsquote ist locker erfüllt worden. Die Kühnheit, bei steigendem kriminellen Markt die Kraft der Exekutive zu schwächen, ist freilich erschreckend. Aber wie man sieht, kann man alles durchziehen.

Standard: Wird Österreich weiter eines der weltweit sichersten Länder bleiben?
Edelbacher: Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass mit der EU-Erweiterung ein neuerlicher Kriminalitätsanstieg kommen wird. Und die geschwächte Polizei ist sicherlich nicht in der Lage, das abzufangen. Auch Ermittlungserfolge wie in der Lucona-Affäre, die zwei Ministern den Kopf gekostet hat, werden nicht mehr möglich sein. Ich glaube auch nicht, dass das Bundeskriminalamt in der Lage ist, die aktuelle Bawag-Affäre vollständig aufzuklären. Zynisch betrachtet, könnte man sich fragen, ob es nicht gewollt war, eine schwache Polizei zu schaffen, damit Korruption und andere Politskandale unter dem Teppich bleiben. Deshalb entfernt man auch gern die Intelligenzen. Wer sicher sein will, muss sich künftig selbst drum kümmern. Es ist wie bei Gesundheit und Bildung. Willst du Besseres, musst du dafür zahlen, im Privatspital oder in der Eliteuni. Das ist eine schlechte Entwicklung, die nur mit dem Neoliberalismus zu erklären ist, aber nicht gerechtfertig ist, wenn man an die sozialen Errungenschaften in der Zweiten Republik denkt. Der Ausgleich zwischen Arm und Reich war in den 40 Jahren der Sozialdemokratie immer ein vorrangiges Ziel.

Standard: Ihrem langjährigen Kollegen Ernst Geiger wird vorgeworfen, dass er einem mutmaßlichen Zuhälter Polizeiinterna verraten habe. Was Geiger zurückweist, vor Gericht muss er aber dennoch bald. Wie nahe darf ein Kriminalist dem "Milieu" kommen?
Edelbacher: Ein Kiberer an der Front muss Kontakte zur Szene pflegen. Ohne Informanten könnten viele Verbrechen nicht gelöst beziehungsweise verhindert werden. Beamte in Führungspositionen, die nicht mehr selbst die Knochenarbeit machen, müssen derartige Kontakte auf jeden Fall abbrechen.

Standard: Zwischen Ernst Geiger und dem Wiener Landespolizeichef Roland Horngacher, gegen den wegen Weitergabe von Polizeiinfos an Medien ermittelt wird, läuft ein offener Machtkampf. Beherrschen Intrigen den Polizeialltag?
Edelbacher: So schlimm war es noch nie. Es ist auch dem Wiener Polizeipräsidenten Peter Stiedl vorzuwerfen, dass er mit Horngacher eine Persönlichkeit gewählt hat, die zwar sehr fleißig ist, aber mit Macht überhaupt nicht umgehen kann. Abgesehen davon ist der Akademiker Horngacher den Polizeijuristen in den Rücken gefallen. Beim ersten Schritt der Reform in Wien hat er noch auf die Polizeijuristen gesetzt. Als dann das Reformteam des Innenministeriums zum Tragen gekommen ist, hat er sich plötzlich von den Polizeijuristen distanziert. Er hat sogar seinen Hofratstitel zurückgelegt. Er wurde zum Verräter der eigenen Kollegen.

Standard: Während Ihres Studiums haben Sie als Friseur gejobbt. Wem würden Sie heute zum Abschluss noch gerne eine Kopfwäsche verpassen? Edelbacher: (lacht) Da gibt es einige Wunschkandidaten, aber ich nenne keine Namen. (DER STANDARD Printausgabe 27.7.2006)