Die Grünen orten einen "Etikettenschwindel" bei der Atompolitik der EU

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Wien - Die Zustimmung Österreichs zum Atomforschungsprogramm Euratom, das mit 4,1 Milliarden Euro dotiert wurde, wird von den Grünen kritisiert. "Bundesministerin Gehrer behauptet, die EU mit Charme und Überzeugung auf österreichischen Kurs gebracht zu haben. Wir sind überzeugt, dass hier milliardenschwerer Etikettenschwindel betrieben wird", sagte Madeleine Petrovic, stellvertretende Bundessprecherin der Grünen, bei einer Pressekonferenz am Dienstag.

Die Forschungsgelder seien ungerechtfertigte Subventionen für die "gewaltige, finanzkräftige Atomlobby" und der Sicherheitsaspekt nichts als ein Alibi, heißt es seitens der Grünen. Außerdem würde sich lediglich die Gemeinsame Forschungsstelle (JRC) mit Sicherheitsforschung beschäftigen, alle anderen Institutionen könnten die Forschungsgelder auch für die Entwicklung neuer Reaktoren verwenden. "Der Löwenanteil der 4,1 Milliarden wird wieder in Kernfusions- und Kernspaltungsforschung gehen.", so Petrovic. Im Vergleich dazu würden in die Forschung für erneuerbare Energie nur 700 Millionen Euro investiert werden, obwohl es sich dabei um einen in Österreich wichtigen, aufstrebenden Beschäftigungsträger handele.

"Die Regierung duldet, dass das Thema nicht die international gebührende Aufmerksamkeit erfährt." Allerdings würden viele Regierungen der EU tatsächlich daran glauben, dass Atomenergie CO2-neutral und ungefährlich sei. "Die österreichische Bevölkerung weiß im Durchschnitt wahrscheinlich mehr als europäische Minister", meinte sie. Durch die Zwentendorf-Debatte etwa habe sich hier zu Lande ein gutes Anti-Atom-Bewusstsein entwickelt, sagte Petrovic weiter. Österreich müsse hart bleiben und Druck machen, um eine Änderung des Euratom-Vertrages und Atomausstieg und -sicherheit zu erreichen. Das sei die einzige, durchaus realistische Lösung. Trotz schöner Worte Gehrers sei man aber weit davon entfernt, betonte die stellvertretende Bundessprecherin. Die Grünen hätten sich in Umweltthemen nie geirrt, "wir glauben, es mit dieser Lobby aufnehmen zu können".

Am Montag hatte Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (V) erklärt, dass sich Österreich mit seinem Anti-Atomkurs durchgesetzt habe. Damit sei sichergestellt, dass kein EU-Geld für die Planung oder den Bau neuer Reaktoren fließe. Zuvor hatte Österreich als einziges Land die notwendige Einstimmigkeit verhindert und gefordert, die Mittel für die gemeinsame Forschungsstelle "ausschließlich" und nicht wie bisher "in erster Linie" für Sicherheitsforschung zu verwenden.

Schüssel und Gorbach loben Gehrer

Für Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Vizekanzler Hubert Gorbach ist der Euratom-Kompromiss vor allem ein Erfolg von Österreichs Verhandlungsführerin Elisabeth Gehrer (V). Die EU-Forschungsminister hatten am Montag beschlossen, einen bisher strittigen Teil der Euratom-Mittel ausschließlich für die Sicherheitsforschung zu widmen (und nicht mehr "vorwiegend" für die Sicherheitsforschung).

Konkret betroffen ist ein Teilbereich des Euratom-Budgets - nämlich jener für die so genannte "gemeinsame Forschungsstelle". Diese Einrichtung hat sich bisher "vorwiegend" der Sicherheitsforschung gewidmet, künftig soll sie es "ausschließlich" tun. Schüssel gratulierte Gehrer dazu: "Das ist ihr Erfolg." Auch Vizekanzler Gorbach war in der Pressekonferenz nach der Regierungssitzung voll des Lobes für die ÖVP-Ministerin: "Das ist wirklich ein Erfolg der Kollegin Gehrer von gestern."

Insgesamt fließen von 2007 bis 2014 rund vier Mrd. Euro in das EU-Atomforschungsprogramm Euratom. 70 Prozent davon entfallen auf die Erforschung der Kernfusion (u.a. den geplanten internationalen Forschungsreaktor ITER), die restlichen 30 Prozent auf die Bereiche "Sicherheit und Strahlenschutz". Bei einem Teilbereich der letzteren Mittel - dem Budget der so genannten "gemeinsamen Forschungsstelle" - wurde nun klar gestellt, dass auch diese Mittel ausschließlich in die Sicherheits-Forschung fließen müssen. (APA)