Das Picasso-Fries in Barcelona

Foto: Der Standard
Während Europa flächendeckend Mozart feiert, will Spanien zumindest einen nicht vergessen: Pablo Ruiz Picasso. Nicht so rund wie des Wunderkinds Geburtstag jährt sich der des Meisters 2006 zum 125. Mal. Kataloniens Hauptstadt ehrt den Kubisten, der hier einige Jugendjahre verlebte, mit einer "Walking-Tour" und Sonderausstellungen im Picasso-Museum.

Es war in der Carrer d'Avinyo. Zwischen dem Barri Gotic und La Ciutat Veilla, einem ehemals von Seeleuten und Prostituierten bevölkerten Stadtteil. Dort hat Picasso wohl in Gedanken die ersten Pinselstriche für die "Mademoiselles d'Avignon" gesetzt. Heute zieren das einst verruchte Bordell-Viertel Design-Boutiquen, Künstler-Cafés und eine Fülle an Galerien.

In der Sala Parés, der ältesten Galerie Spaniens in der Carrer Petritxol, hatte Picasso 1901 seine erste - nicht besonders erfolgreiche - Ausstellung. Zwanzig Meter weiter liegen Kunstwerke anderer Art: In der Schokoladenboutique Xocoa vertreibt man süße Meisterwerke. Nicht aus Kakaomasse geformt, aber auf Papier gebannt hat Picasso eines seiner Lieblings-Cafés des Stadtteils: das Els 4 Gats in der Carrer Montsio. Ein charmantes, aber immer überbevölkertes Restaurant, in dem sich der Charme der letzten Jahrhundertwende konserviert hat.

Epochale Spielereien

Souvenirs seiner Barcelona-Ära sind im Picasso-Museum in der Carrer Montcada, nebst einer exzellent-sortierten Sammlung zu sehen. Nicht nur für Picasso-Experten lohnt sich der Besuch in den renovierten, mittelalterlichen Palästen. Sondern auch wegen der insgesamt 3600 Werke, darunter die Velázquez-Spielereien "Las Medinas". Bis Oktober sind die Werke aus dem Museum in Antibes in einer Sonderschau ausgestellt.

Barcelona ist allerdings auch der einzige nicht-französische Ort, der 2002 zur Gourmande-Stadt erhoben wurde - zu Recht: Am Paseig de Gràcia liegt der Gourmet-Tempel Tenorio und bietet Nouvelle Cuisine en español. Fusion ist hier angesagt. Und der Innenarchitekt konnte sich auch austoben. Weine und Champagner liegen im Stahltresor eingekerkert, beim Eintreten schreitet man über das unter einer Glasplatte im Souterrain liegende Bierfass.

Vom Trubel der Millionenstadt entspannt man sich nahe der Ramblas im "La Vaca Negra", einer gehörig-rustikalen Bar in einem ehemaligen Stall, wo Sangria und Bier zwar auch in Liter-Krügen, aber glücklicherweise gänzlich ohne Ballermann-Atmosphäre offeriert werden. Vis-à-vis, in der Carrer de Tallers findet man musikalische Raritäten und bei "Discos Impacto" lässt sich mit Wühlen manch Modeschatz für nächtliche Stunden in den Clubs finden.

Ein wenig weiter, im von Einheimischen "Little Pakistan" getauften orientalischen Viertel der Stadt versteckt ist die traditionelle in der Carrer San Rafael gelegene Casa Leopoldo. Es war eines der bevorzugten Restaurants des Schriftstellers Manuel Vázquez Montalbán, Grund genug, das 37-Euro-Menu nach seiner Romanfigur Pepe Carvallo zu benennen. Ein Auszug aus der "literarischen" Kost: Grüne Bohnen mit Jamón sowie Fleischbällchen mit Sepia und Schrimps. Na, ja. Obwohl die meisten Restaurants um den Moll de Barceloneta nach Nepp anmuten, lohnt sich zumindest ein Besuch im Fischrestaurant La Gavina. Das Stockfisch-Carpaccio und die Meeresfrüchte-Kroketten sind einzigartig.

Kuben für Olympia

Vom heruntergekommenen Arbeiterviertel Barceloneta, wo Picasso viel Zeit verbrachte, ist nicht mehr viel übrig. Für die Olympischen Spiele '92 wich das Viertel moderner Baukunst und dem Porto Olìmpico. Vor der imposanten "Skyline" mit dem Mapfre-Tower, können Segelnovizen Barcelona heute vom Meer aus betrachten. Von der Segelschule am Porto Olímpico startet der 26-Euro-teure Schnupper-Turn in der Racer-Klasse, den ein moussierender Cava-Schluck begleitet.

Um den Olympischen Hafen sind volle Badestrände und nette Bars konzentriert. Teuer, aber vom Preis-Leistungsverhältnis tragbar, ist der Carpe Diem Lounge Club. In gemütlichen Sitzecken gibt es fernöstliche Küche und eine imposante Cocktail-Karte, die man in einem gepolsterten Boot studiert.

Im "jungen" Bezirk Gracia, nahe der U-Bahn-Station Fontana, in den verwirrenden Gässchen und Parks versteckt, ist die Bar Tapas Sol Soler, am Plaza del Sol gelegen. Hier serviert man bis zwei Uhr nachts Häppchen, die munden. Die gemütliche Atmosphäre macht das Sol vor allem zum Studenten-Treffpunkt und zur Einstimmung auf eine noch lange Nacht.

"The Loft" gehört mit Sicherheit zu den klingendsten Namen in der katalonischen Clubszene. Aber man will ja auch etwas entdecken: Etwa das "Liquid" in der Zona Universitaria, das an einem Freibad liegt und der einzige Ort ist, wo man tanzend baden gehen kann.

Nachdem sich die Touristen in den letzten zehn Jahren in Barcelona verdoppelt haben, schießen neue Hotels auch ohne Mozart im Dreivierteltakt in den Himmel. Das Wolkenkratzer-Hotel AC Barcelona am Parque Diagonal Mar etwa bietet ein Schwimmbad, einen Spa-Bereich im 13. Stock und Designerzimmer zu 185 € pro Übernachtung. Das moderne Viertel Diagonal Mar hat Picasso zwar selbst nicht mehr zu Gesicht bekommen, aber über den spielerischen Umgang mit Bauklötzen hätte der Kubist sicher geschmunzelt. (Jan Marot, Der Standard, Printausgabe 22./23.7.2006)