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REUTERS/Simon Johnson
Zwischen üppigem Dunkelgrün hängen Orangen, Bananen, Papayas und Avocados. Kopfsalat, Gurken, Tomaten und Paprika sind reif zum Ernten. Wir befinden uns in Hveragerdi, einem kleinen Ort im Südwesten von Island, wo man die gewaltigen Naturkräfte für sich arbeiten lässt. Quer durch das Eiland, das ja dem Mittelatlantischen Grabenbruch seine Existenz verdankt, verläuft eine aktive Vulkanzone. Mit der dort vorhandenen Erdwärme werden fast alle Häuser umweltfreundlich beheizt, und Gewächshäusern wird zu tropischem Klima verholfen.

Weiter geht es auf der Ringstraße oder Straße Nummer eins gegen den Uhrzeigersinn, 1600 Kilometer rund um die Insel. Ebenso üppige Vegetation findet man an den Vogelfelsen in Vik. Sie sind beliebter Brutplatz für Möwen und Papageientaucher. Stundenlang kann man die clowngesichtigen Vögel beobachten. Schwarzer Rücken, weiße Brust, eigentlich ein elegantes Federkleid. Jedoch sieht es eher tollpatschig aus, wenn sie im Flug die kurzen Beinchen nach hinten spreizen und Mühe haben den schweren Körper in die gewünschte Richtung zu steuern.

Grüne Wiesen weichen mit Flechten überzogenen alten Lavaströmen. Moosdecken reißen auf, bilden einzelne Flecken bis nur noch einzelne Pölsterchen zwischen den Steinen hervorlugen. Schließlich erreicht man die riesigen Sanderflächen im Süden. Eine schwarze Ebene, durchzogen von silbern glänzenden verzweigten Gletscherflüssen. Ein einsamer Campingplatz kündigt die nächste Sehenswürdigkeit an: den Skaftafell Nationalpark. Durch niedrige Krüppelbirken schlängelt sich ein schmaler Wanderweg im Zickzack nach oben in offenes Heideland. Folgt man ihm, so gewinnt man rasch an Höhenmetern und Aussicht. Etwa auf den mit 2119 Metern höchsten Berg Islands, den Hvannadalshnúkur.

Amphibientheater

Noch näher heran an die Welt des Eises kommt man am Jökulsárlón. Ein flacher Gletscher kalbt aus dem Hintergrund in den bekannten Eissee. Auf einer Fahrt in speziellen Amphibienfahrzeugen lassen sich die unterschiedlichsten Formen und wunderschönen Farben der eisigen Arena bestaunen. Mitunter kracht es gewaltig, wenn sich einer der Berge dreht oder entzweibricht. Laut werden auch die Skuas am Seeufer, wenn man ihr Revier betritt. Um einen (Schein)angriff zu vermeiden, ist es empfehlenswert einen großen Bogen um die Raubmöwen zu machen.

Was wäre ein Islandurlaub ohne Regen? Nicht möglich? Stimmt! Es gießt in Höfn, einem kleinen Ort mit 1800 Einwohnern weit im Südosten. Zeit auszuspannen, in der Bäckerei Schmalzgebäck ("Kleinur") zu verspeisen und nach isländischer Manier literweise Kaffee zu trinken. "Wetterumschwünge sind in Island sehr häufig", verspricht der Reiseführer. Warten. Es schwingt nicht, der Nieselregen hält an. Solange jedoch der Blick auf die Gletscherzungen durch tiefe Wolken verhängt ist, bietet immerhin das Gletschermuseum erste Eindrücke.

Über Nacht hört der Regen auf, die Piste aus rotem Lehm führt uns durch eine Mondlandschaft, die Berge ringsum sind schwarz, nur hie und da aus einer Rinne blitzen Schneefelder. Im Krafla-Gebiet wird der Eindruck noch bizarrer: scharfkantige schwarze Lavafelder, auf deren Ruhelosigkeit aufsteigender Dampf hinweist. Blubbernde Becken. Ununterbrochenes Zischen und Brodeln. Ein fesselndes Schauspiel, nur der Schwefelgeruch treibt einen letztlich zurück in den klimatisierten Bus. Schöne Wege bieten sich auch um den Myvatn (Mückensee) an - sogar ohne Geruchsbelästigung.

Eisbären aufbinden

Abends in der Strandbar erzählt man von Eisbären, die ab und zu mit einer Eisscholle an die Nordküste Islands treiben. Märchen oder Wahrheit - zu so später Stunde kaum auseinanderzuhalten. Aber ich will es verraten: nach Eisbären zu suchen lohnt sich nicht. In Husavik hingegen verlassen zwei kleine Holzboote aus einem anderen Grund regelmäßig den Hafen. Wir haben Glück und werden weiter draußen in der Bucht von einem Buckelwal begrüßt. Mit seiner weißen Flosse klatscht er immer wieder aufs Wasser, als ob er winken wolle. Dieses Exemplar schätzt unser Fremdenführer auf 16 Meter Länge und 40 Tonnen Körpergewicht. In der Ferne tauchen zwei Zwergwale auf und ein Delfin, sie sind willkommene Ablenkung vom Schaukeln des Schiffes und der um sich greifenden Seekrankheit.

Den letzten langen Fjord vor Reykjavik muss man nicht ausfahren, denn seit 2001 kann man durch einen Tunnel unter dem Meer direkt in die Metropole "rauschen". Wie in einer Achterbahn - Nervenkitzel eingeschlossen - geht es zuerst bergab unters Meer, danach steil bergauf dem Licht entgegen. Ankunft in Reykjavik bei Sonnenuntergang. Diese Stimmung lässt sich am besten in der Perlan (Perle) im Stadtteil Öskjuhlid genießen. In dem außergewöhnlichen Gebäude, einem Glasdom, der auf großen Heißwassertanks steht, könnte man jetzt richtig gut eindösen. Aber wer will sich schon die Möglichkeit entgehen lassen, in das bunte Nachtleben Reykjaviks einzutauchen? Auf ins Stadtzentrum, wo dann tatsächlich der Bär los ist. (Valeska Seifert, Der Standard, Printausgabe 22./23.7.2006)