Elfi Semotan - Ein Selbstporträt
Elfi Semotan - Ein Selbstporträt

Sie ist die Grande Dame der österreichischen Fotografie: Dieser Tage wird Elfie Semotan 65. In New York sprach Tina Preschitz mit ihr über Frauen in Pin-up-Posen, ihre Liebe zu Künstlern und die enge Freundschaft mit Helmut Lang.

Frau Semotan, Sie werden am 25. Juli 65. Ist das ein Anlass, zurückzuschauen?
Elfie Semotan: Das kommt eher von außen. Die New York Times hat mich zum Beispiel gefragt, ob ich schon als Kind Fotografin werden wollte. Als Kind? Ich lebte in Oberösterreich in einem winzigen Dorf – ich glaub niemand hat da eine Kamera gehabt. Das höchste der Gefühle war – nachdem ich als Kind schon gern gezeichnet und gemalt habe und auch gut darin war – dass meine Stiefmutter beschlossen hat, mich mit 14 in die Gmundner Keramikfabrik zu schicken, weil ich dort malen könnte.

Das hat offenbar nicht Ihren Plänen entsprochen.
Elfie Semotan: Nein, ich wollte mein Leben in dieser Weise nicht vorbestimmen oder organisieren lassen. Im Gegenteil, davor hab ich mich am meisten gefürchtet. Ich wollte auch lange nicht heiraten oder Kinder haben. Auch, weil ich in keinster Weise organisiert war oder ein Ziel hatte.

Aber zumindest hatten Sie eine Richtung. Sie haben zunächst in Wien Mode studiert.
Elfie Semotan: Ich hatte nicht das Ziel, Fotografin zu werden. Ich war in der Modeschule Hetzendorf und habe sehr schnell gesehen, dass das, was ich mir vorgestellt hatte, zu der Zeit in Wien nicht möglich war. Ich bin nach Paris gegangen und musste natürlich schnell Geld verdienen. Also habe ich alle Haute Couture Häuser angerufen und gefragt, ob sie jemanden brauchen zum Vorführen und bekam tatsächlich einen Job. Das war großartig. Ich habe dann drei Jahre lang gut davon gelebt. Aber ich war nicht besonders glücklich mit meiner Seite der Kamera. Als ich dann einen Fotografen kennen lernte, der mir fotografieren beigebracht hat, hat mir das sofort gefallen.

Sie haben sich relativ schnell als Mode- und Werbefotografin etabliert. Legendär waren die "Trau dich doch"-Plakate von Palmers oder die Römerquelle-Sujets aus den 80ern. Waren das schon richtungweisende Semotan-Bilder?
Elfie Semotan: Ja natürlich. Ich habe immer versucht, Werbung zu etwas zu machen, das interessant und wichtig ist. Mir waren die Menschen wichtig, ich wollte nie abstrahierte, grafische Modefotografie machen, sondern den Zustand einer Person in irgendeiner Art von Realität verankern. Mir ging es nicht darum, eine ästhetisch perfektionierte Zauberwelt zu erschaffen, sondern eine realistische, vielleicht ein bisschen verdrehte, aber mögliche Welt zu zeigen. Die Römerquelle-Motive sind da ein gutes Beispiel. Bei Palmers fotografierte ich Frauen in Pin-up-Posen, aber auch die waren sehr persönlich – später sind sie dann ja sehr viel stereotyper geworden.

Stört es Sie, dass sie gerade in Österreich oft auf diese Kampagnen reduziert werden.
Elfie Semotan: Ich weiß, dass die Leute mich zwar als Fotografin kennen und mich dabei sicher mit Palmers und Römerquelle in Verbindung bringen, vielleicht auch noch mit ein paar anderen Sachen, aber sie wissen eigentlich nicht wirklich, was ich alles mache oder gemacht habe – können sie auch nicht, wie denn? Ich habe sehr viel hier in New York gearbeitet.

Sie sind in Österreich sehr früh mit der Künstler-Szene in Kontakt gekommen, die immer ein wichtiger Teil ihres Lebens war.
Elfie Semotan: Ich habe alle möglichen Menschen kennen gelernt in Wien – und für mich sehr schnell entschieden, dass eigentlich Künstler die Menschen sind, die mich am meisten interessieren, das Milieu mir am besten gefällt.

Sie waren mit zwei Künstlern verheiratet – Kurt Kocherscheidt und Martin Kippenberger.
Elfie Semotan: Es war nicht so, dass ich mir bewusst einen Künstler als Mann gesucht hätte. Wenn man mit jemanden zusammenlebt, dann ist der Mensch wichtig, nicht, ob er Künstler ist. Es kann aber schon sein, dass sich dadurch speziellere Lebensformen ergeben, auch bedingt durch die Arbeit. Wir haben zum Beispiel keinen Wert darauf gelegt, einen geregelten Lebensablauf oder ein zeitlich geregeltes Zusammensein zu haben. Mit dem Kurt genausowenig wie mit dem Martin später. Aber da haben wir gar nicht viel darüber geredet.

Nach dem Tod ihres zweiten Mannes sind sie dann nach New York gegangen. War das nicht ein hartes Pflaster, zumindest für den Anfang.
Elfie Semotan: Ein Agent, den ich aus Österreich kannte und der in New York gerade eine Agentur gegründet hatte, rief mich an und meinte, ich sollte kommen. Das war 1996. Er ist extra nach Wien gekommen, um mich zu überreden. Außerdem war Helmut (Anm.: Lang) hier und das hat mir geholfen. Es hat sich herumgesprochen, dass ich mit ihm befreundet bin und das hat mir sicher das Leben erleichtert, in dem Sinn, das ich zu den Leuten überhaupt vordringen konnte. Beweisen muss man sich dann ohnehin selbst.

In Österreich werden Sie und Helmut Lang oft in einem Atemzug genannt.
Elfie Semotan: Ja, das stimmt, aber Helmut hat auch immer mit anderen Leuten gearbeitet. Wir kannten uns ja lange vorher und sind immer noch eng befreundet. Er hat auch den Kurt gekannt und die Gespräche mit ihm sehr geschätzt.

Wie sehr entspricht das Selbstbild von Elfie Semotan dem Bild, das in der Öffentlichkeit kommuniziert wird?
Elfie Semotan: Ich glaub, dass Selbstbild muss nicht unbedingt stimmen, ist aber meist viel detaillierter, komplizierter und nicht unbedingt das was andere von einem wahrnehmen oder glauben. Ich stell mich nicht so gerne in der Öffentlichkeit dar und finde es auch nicht notwendig. Mit meinen beiden Männern hab auch zwei ganz verschiedene Umgänge damit erlebt. Kurt war ein sehr privater Mensch während Martin sehr öffentlich war. Er hat gesagt, Öffentlichkeit muss her, ich will, dass meine Bilder gesehen werden und sich verkaufen. Martin hat die Dinge beim Namen genannt. Aber das muss man auch können. Er konnte kontroversiell sein, hat die Leute aufgeregt und teilweise vor den Kopf gestoßen – sie fühlten sich von ihm angegriffen und verunsichert. Für viele ist Martin als Person vor seiner Arbeit gestanden.

Die private Elfie Semotan ist Mutter zweier erwachsener Söhne. War es schwer, Kinder und Arbeit unter einen Hut zu kriegen?
Elfie Semotan: Ich hab mich in meinem Beruf deswegen nie benachteiligt gefühlt. Ich habe sehr vieles gemacht – die Kinder, den Haushalt. Aber es hat mich nie allzu sehr belastet. Für Ausstellungen oder Bücher hatte ich allerdings nie Zeit. Es gab immer so viele Dinge, die wichtiger waren.

Das holen Sie jetzt nach?
Elfie Semotan: Ja, ich hab so vieles gemacht und so vieles angedacht, jetzt möchte ich diese Projekte vervollständigen und mich mit dem auseinander setzen, was ich gemacht habe. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.7. 2006)