"Was 'Tellerrand' bedeuten soll? Keine Ahnung, ich hab Mittagspause und will ein kostenloses Würstel." Wie der Herr in Orange, der nicht auf diesem Bild zu sehen ist, dachten am Mittwoch am Schwedenplatz einige: Gratiswürstelaktion nutzen und schnell wieder an die Arbeit. Und doch ließen sich manche letztendlich auf die eine oder andere Diskussion über die Europäische Union, die Osterweiterung und das "neue Mitteleuropa" ein, wagten nach Definiton der Organisatoren einen "Blick über den Tellerrand".

Foto: derStandard.at/Honsig

Weil Österreich "wie kein anderes Land von der Osterweiterung profitiert" gründeten sieben große österreichische Firmen die 'Initiative Tellerrand'. Die soll "allen ÖsterreicherInnen, die sich mit den Zukunftschancen unseres Landes beschäftigen wollen, eine Plattform bieten." " Eine dieser Plattformen: Der Würstelstand, ein Ort, an dem man sich trifft.

Seit Anfang Juli tourt 'Tellerand' durch Österreich, Gratiswürstel und viel Enthusiasmus im Schlepptau. Anliegen: Darüber zu reden, dass Österreich sich besser als jedes andere Land der alten EU die Chancen eines erweiterten Europas nutzt.

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Am Mittwoch traf man beim Würstelstand am Schwedenplatz auch den Autor und ehemaligen Brüsselkorrespondenten des ORF, Klaus Emmerich. Für den Autor von Büchern wie "Europas letzte Chance" oder "Atlantische Scheidung" ist die EU die einzige Möglichkeit, in Zeiten der Globalisierung als kleines Land zu bestehen. "Und genau hier ist die Osterweiterung eine Chance".

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Nur ein kleiner harter Kern der ÖsterreicherInnen wolle diese Vorteile ganz und gar nicht sehen, bedauert Emmerich: "Die sind allerdings prinzipiell dagegen: gegen die Osterweiterung und gegen alles, was anders ist. Für die sind ja schon die Tiroler Fremde." Am Prozess teilzunehmen, das ist für Emmerich das Erfolgsrezept, "denn Unzulänglichkeiten, die es in Brüssel offenkundig gibt, sind nun mal nicht dadurch zu ändern, dass man dagegen ist."

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Die Sorgen der ÖsterreicherInnen nimmt Emmerich zwar ernst, es werde aber allzu oft pauschal argumentiert: "Es ist gar keine Frage, dass in einer freien Gesellschaft die Überwindung der sozialen Unterschiede schwierig ist, aber wenn man Klischees wie den 'polnischen Klempner' zitiert muss man auch sehen, dass sich es den polnischen "Jahn" gibt, der zu günstigen Konditionen schwarz schnell mal einen Zaun oder ein Haus streicht." 'Arme werden ärmer und Reiche werden reicher' stimme in der EU zum Beispiel im Vergleich zu den USA noch am wenigsten.

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Darüber sind sich naturgemäß nicht alle einig. "In der Diskussion wird oft die Sorge vorgebracht, dass es der Mittelschicht immer schlechter geht," erzählt Tellerrand-Promotor Philipp, der schon in ganz Österreich mit Interessierten über die EU diskutiert hat. Meist werden die Tellerrandler freundlich aufgenommen, aber "nur etwa 20 Prozent der Würstelstandgäste möchten auch tatsächlich mit uns diskutieren." Nur wenige können der EU keinerlei positive Seiten abgewinnen und würden ihr "Würstel lieber selber zahlen", bevor sie die EU-Erweiterung gutheißen.

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Petra und Beate zeigen sich am Schwedenplatz jedenfalls begeistert von den Möglichkeiten eines offenen Europas: "Als wir studierten, war ein Auslandsaufenthalt noch um einiges schwerer zu organisieren." Ob 'Tellerrand' Skeptische in Diskussionen umzustimmen vermag, bezweifeln die beiden: "Die Idee prinzipiell ist nett, aber wer von EU und Erweiterung nichts hält, wird seine Meinung wohl kaum wegen einer Gratiswurst ändern."

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Für den Tellerrandsprecher vor Ort, David Dittrich (re), ist das Wichtigste, dass über die Erweiterung diskutiert wird. "Wenn man über Sorgen und Ängste spricht, können sie oft auch ausgeräumt werden." Persönlich befürwortet David die Erweiterung, aber in der richtigen Geschwindigkeit. "Ich bin ein skeptischer Mensch und will mich über die Dinge informieren und mitreden."

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Johannes Matheis ist ähnlicher Meinung: "Sobald Länder wie die Türkei oder auch Mazedonien reif für einen Beitritt sind, sind sie herzlich willkommen." Über den richtigen Zeitpunkt zu entscheiden, überlässt er den PolitikerInnen: "Die sollten eigentlich wissen, was sie tun". Die EU zum pauschalen Sündenbock abzustempeln, hält er jedenfalls für vermessen: "Wenn das so weitergeht, ist die EU auch noch am Wetter schuld".

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Auch der Angestellte Karl Lileg (re) ist offen für die Osterweiterung. "Nur bin ich der Meinung, dass das ein gut durchdachter Prozess sein muss." Dass vor allem der mögliche Beitritt der Türkei als Wahlkampfthema herhalten muss, findet er "letztklassig". "Die Politik soll sich um echte Probleme kümmern".

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Politik mit dem EU-Austritt macht die Wahl-Initiative "EU-Austritt - Neutrales Freies Österreich" gleich zwanzig Meter weiter. Sie will bei den Nationalratswahlen antreten und ist auf Stimmenfang für die notwendigen Unterstützungserklärungen. 500 bräuchte man in Wien, erklärt Bundesobmann-Stellvertreter Fritz Danner, der damit rechnet, diese Anzahl leicht zu erreichen. Das Tellerrand-Würstelstandl plant er auf alle Fälle zu besuchen: "Die Konkurrenz beobachten."

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Die "Konkurrenz" verlässt gegen 15 Uhr den Schwedenplatz. Ihre Arbeit ist damit längst nicht getan. "Immer mehr Firmen melden sich bei uns und sind bereit, unser Infomaterial aufzulegen", freut sich David Dittrich. "Was eindeutig dafür spricht, dass nicht nur die großen Konzerne das Gefühl haben, von der Ostererweiterung zu profitieren."

Alle, die ebendieser Meinung sind, können der Initiative auf www.tellerrand.at ihre Unterstützung ausdrücken.

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Und sind dabei in guter Gesellschaft. Helge Payer, Harald Krassnitzer, Erhard Busek oder Franz Fischler gehören zu den prominenten Unterstützern. (mhe)