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EUFOR DR Kongo am 14. Juli, in Ndolo, in Kinshasa.

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Die Lueshe- Pyrochlor Mine in Nord Kivu.

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Arbeiter in Lueshe.

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Das SADOCC- Magazin für das südliche Afrika. Viermal jährlich berichten Journalisten und Fachleute aus Österreich, Europa und dem Südlichen Afrika über die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen im Südlichen Afrika.

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Von Ndolo, dem Flughafen der kongolesischen Hauptstadt, aus werden die EU-Truppen mit Panzerwägen, Hubschraubern und vier unbemannten Fluggeräten die Sicherheitslage in Kinshasa rund um die Uhr überwachen. Dass die Hauptmotivation für die Operation jedoch nicht unbedingt "freie Parlamentswahlen" sind, wird durch die Rohstoffinteressen europäischer Industrienationen deutlich. Nicht zuletzt deshalb sind die schwer bewaffneten "Wahlhelfer" der EU in Zentralafrika gar nicht willkommen, stellt Walter Sauer in seinem Bericht aus dem Afrika-Magazin INDABA fest.

Seitens der Demokratischen Republik Kongo hat Präsident Joseph Kabila Angola und Namibia um die Entsendung von Truppen gebeten. Mit Hilfe dieser langjährigen Alliierten soll das unerwünschte EU-Engagement politisch ausbalanciert werden. Die Erklärung des EU-Sondergesandten für die Region der Großen Seen, Aldo Ajello, die EU-Einsatztruppe würde eine "Plünderung" des Kongo durch die Wahlverlierer, inklusive die Partei des Präsidenten, verhindern, hatte Kinshasa hinsichtlich allfälliger Pläne der EU auch über die Wahlen hinaus alarmiert. Das Trauma der Militärintervention der 1960er Jahre ist noch immer nicht ganz vergessen.

Schon im Februar hatte Südafrikas Verteidigungsminister Mosiuoa Lekota eine Involvierung der EU als "unerwünscht" bezeichnet; SADC-Streitkräfte allein wären imstande, die für die Wahlen erforderliche Sicherheit zu garantieren. Hektische diplomatische Verhandlungen auf internationaler Ebene hatten zur offiziellen Erklärung einer "Neutralität" der EU-Operation gegenüber den kongolesischen Parteien geführt: "Eufor DRC" würde nur nach Aufforderung der UN-Mission MONUC tätig werden.

UN-Mission MONUC

Aber auch MONUCs Verhältnis zur Regierung in Kinshasa ist nicht unproblematisch, wofür sowohl die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen durch die Armee (FARDC) als auch deren teilweise Unfähigkeit, in entlegenen Landesteilen tatsächlich Sicherheit herzustellen, verantwortlich sind. Es sind zwar immer wieder kleinere Erfolge zu verzeichnen, sowohl durch FARDC als auch die UNO. So konnte Anfang Mai die Übernahme weiterer 150 Kindersoldaten eines Warlords in Katanga durch MONUC bekannt gegeben werden; diese wurden entwaffnet und sollen nunmehr in die Gesellschaft reintegriert werden. Die Sicherheitslage im Distrikt Mitwaba habe sich anschließend "stabilisiert", erklärte die MONUC.

Vorbereitung der Wahlen

Die Wahlvorbereitung unter Leitung einer neugebildeten Unabhängigen Wahlkommission ist im Gange. Vor allem aus Südafrika kommt finanzielle und organisatorische Hilfe. Auch eine Art Wahlkampf der politischen Parteien mit großer Aggressivität gegeneinander läuft. Nach wie vor steht aber eine politische Einigung über die Beteiligung der vermutlich größten Oppositionspartei, der Union pour la Démocratie et le Progrès Social (UDPS) aus.

Nicht nur politische und ideologische Differenzen sind es, die eine Einigung der verschiedenen Seiten auf ein allgemein akzeptiertes politisches System verhindern, sondern auch ökonomische Interessen. Nicht wenige der heutigen Parteien gingen aus konkurrierenden Bürgerkriegsfraktionen hervor, die in unterschiedlichen Landesteilen operierten und zum Teil von unterschiedlichen ausländischen Regierungen unterstützt wurden. Während des Krieges, dem nach Schätzungen etwa zwei Millionen Menschen zum Opfer fielen und in dem ebenso viele vertrieben wurden, hatten Namibia, Zimbabwe und Angola auf Seiten der anerkannten Regierung, Rwanda, Burundi und Uganda auf Seiten verschiedener Rebellen- und Sezessionsbewegungen gekämpft.

Rohstoffe

Auf allen Seiten war der natürliche Reichtum des Landes – Diamanten, Gold, Kupfer und zahlreiche strategische Metalle, aber auch Tropenholz – zur Finanzierung der jeweiligen Operationen verwendet worden. Teilweise mussten von den lizenzierten Konzernen Schutzgelder und/oder Gewinne aus der Rohstoffproduktion an die jeweiligen Machthaber abgeführt werden, teilweise kamen einfach andere Firmen zum Zug, wenn ein bestimmtes Territorium aus dem Besitz der Zentralregierung in denjenigen einer Rebellenorganisation überging (oder umgekehrt).

Bei einer Inter-Kongolesischen Dialogkonferenz im südafrikanischen Hotelzentrum Sun City hatten sich Delegierte der verschiedenen Fraktionen zwar schon im April 2002 auf die Überprüfung aller während des Krieges gewährten Fördergenehmigungen durch eine gemeinsame Kommission geeinigt (SADOCC berichtete). Mangels einer tragfähigen politischen Lösung erfolgte eine solche Überprüfung bislang allerdings nicht. In vielen Landesteilen ist die Rohstoff-Förderung weiterhin zwischen Regierung und oppositionellen Parteien, zum Teil auch zwischen Regierung und lokaler Bevölkerung (wie im Fall der Diamantensuche in der Provinz Kasai) umstritten.

Kollaboration mit den Rebellen

Von besonderer Problematik ist dabei die fortgesetzte Ausbeutung der natürlichen Ressourcen in den östlichen Provinzen der DR Kongo durch die Rebellen, deren Herrschaft völkerrechtlich nicht anerkannt ist und gegen die vom UN-Sicherheitsrat wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen scharfe Wirtschaftssanktionen verhängt wurden. Der bisher letzte Bericht des vom Sicherheitsrat eingesetzten Expertenkomitees zur Überprüfung der völkerrechtlich illegalen Kollaboration mit den Rebellen in den Bereichen Waffenhandel und Finanzierung wurde von der UNO am 27. Jänner 2006 veröffentlicht (S/2006/53). Er trägt einiges zum besseren Verständnis der politischen Krise im Kongo bei.

In seinen Paragraphen 96-105 beschäftigt sich der Bericht ausführlich mit der Pyrochlor-Mine Lueshe in der Provinz Nord-Kivu, nördlich von Goma. Pyrochlor ist eine extrem hitzebeständige Kombination verschiedener strategischer Metalle (u. a. Niobium und Tantal) und findet z. B. für Flugzeug- und Raketentriebwerke Verwendung. Lueshe gilt als die weltweit größte Fundstätte von Pyrochlor in hoher Konzentration und Reinheit und hat angesichts der großen Nachfrage sowie der derzeit hohen Rohstoffpreise einen immensen Wert.

Den UN-Experten zufolge erfolgte die Erschließung der Mine ab 1982 durch die Société Minière du Kivu (SOMIKIVU), ein Joint Venture zwischen der deutschen Gesellschaft für Elektrometallurgie (in US-Eigentum) und der Regierung des damaligen Zaire. Zu Spitzenzeiten habe SOMIKIVU bis zu 3.500 Arbeiter beschäftigt und eine grundlegende Bildungs- und Gesundheitsversorgung für die lokale Bevölkerung geleistet. Während der Konflikte der 1990er Jahre ist die Produktion allerdings eingestellt worden, so der UN-Bericht. Die Gesellschaft für Elektrometallurgie (GfE) habe sich zurückgezogen und sei in Deutschland mit acht Millionen Euro aus einer amtlichen Risikoversicherung entschädigt worden.

Exklusivlizenz

In diesem Ausmaß sei die BRD seitdem an SOMIKIVU beteiligt. Um die Produktion zu revitalisieren und dem kongolesischen Budget die dringend benötigten Erträge zuzuführen, habe die kongolesische Regierung unter Laurent Désiré Kabila eine Exklusivlizenz für Lueshe an ein anderes Unternehmen vergeben – die in Kinshasa registrierte österreichische Firma Edith Krall Consulting (heute: Krall Métal Congo S.c.a.r.l.). KMC steht nach Auskunft ihres Europarepräsentanten Thomas Eggenburg im Eigentum des Wiener Buntmetallhändlers Michael Krall, der zuvor eine technologisch innovative Kupferschmelzanlage in Uganda errichtet hat. Auf Basis dieser Referenz habe sich Krall im Rahmen des von Kabila durchgeführten Enteignungsverfahrens von SOMIKIVU um die Konzession in Lueshe beworben und 1999 den Zuschlag erhalten.

"Finanziers des Krieges"

Kriegsbedingt ging die Regierungskontrolle über den Osten des Landes allerdings bald verloren. Laut den UNO-Experten war es den neuen Pächtern daher nicht möglich, die Mine auch faktisch zu betreiben. Krall zuvorkommend habe vielmehr ein Manager der GfE namens Karl Heinz Albers (in den UNO-Recherchen als einer der "Finanziers des Krieges" bezeichnet), das Pyrochlor-Bergwerk in Betrieb genommen, und zwar aufgrund eines Übereinkommens mit den Sezessionskräften der Ostprovinz, dem Rassemblement Congolais pour la Democratie (RCD) in Goma. Wie der Bericht ferner betont, gab sich Albers rechtswidrig als Besitzer von SOMIKIVU aus, RCD-Goma ermöglichte ihm ebenso rechtswidrig die Rohstoffschürfung. Für 300.000 US-Dollar Schutzgeld im Monat, wie profil am 17. Jänner 2005 berichtete.

Sanktionen des UN-Sicherheitsrats

RCD-Goma, das mit Eugène Serufuli den Gouverneur der Provinz Nord-Kivu stellt, wird trotz des Friedensvertrags von 2002 von der rwandesischen Regierung weiter unterstützt. Die militärische und politische Kontrolle über das rohstoffreiche Gebiet, in welchem das Bergwerk Lueshe einen wichtigen Stellenwert einnimmt, wird von einem mächtigen ki-rwanda-sprachigen Netzwerk von Warlords und Businessmen ausgeübt, gegen die allesamt Sanktionen des UN-Sicherheitsrats existieren. Serufuli selbst kommandiert eine Elitetruppe kongolesischer Hutus, sein Name wird immer wieder im Zusammenhang mit Sezessionsplänen der Provinz genannt.

Internationaler Haftbefehl

Eine enge Zusammenarbeit besteht weiters zwischen ihm und dem Tutsi-General Laurent Nkundabatware, gegen den aufgrund 2001 in Kisangani verübter Kriegsverbrechen ein internationaler Haftbefehl erlassen ist. Der UN-Bericht hält es auch für erwiesen, dass das Betriebsgebiet von Lueshe 2004 als Rückzugsgebiet für die Soldaten des General Nkunda Verwendung fand. Als weitere Schlüsselperson wird schließlich ein einflussreicher Geschäftsmann genannt, Modé Makabuza, dem enge Verbindungen zur extremistischen Bewegung Tous pour la Paix et Développment (TPD) nachgesagt werden. Laut UN-Angaben findet die Plünderung der Rohstoffe des Kongo in diesem Gebiet unter Einsatz von Zwangsarbeit statt.

Zwangsarbeit

Es werden Strafgefangene aus Rwanda ebenso dazu eingesetzt, wie auch die lokale Bevölkerung – bei bodennahen Vorkommen sogar Kinder - zur Arbeit gezwungen wird. Unter dem Schutz des rwandesischen Netzwerks habe das Firmenkonglomerat Albers‘ den Pyrochlor-Schatz zunächst auf eigene Rechnung abgebaut. Bis Ende 2003 sollen über Estland und die USA Mineralien im Wert von zwanzig Millionen US-Dollar völkerrechtswidrig aus Lueshe exportiert worden sein. Angeblich wird das Bergwerk Lueshe seit Dezember 2005 von regierungstreuen Truppen kontrolliert. Das Abbaurecht von Krall Métal Congo ist damit freilich nicht wiederhergestellt. Laut UNO-Bericht wurde den Fahrzeugen der Firma von den Grenzbehörden Nord-Kivus die Einreise verweigert.

Einflusssicherung

Mittlerweile scheint aber auch Albers an Bedeutung verloren zu haben. Laut UNO-Bericht wurde er im März 2004 von den Rebellen zur Abtretung der SOMIKIVU-Aktien an Makabuza gezwungen. Nach Angaben des deutschen außenpolitischen Nachrichtendienstes german-foreign-policy.com soll es wenig später zu Kontakten zwischen der damaligen bundesdeutschen Botschafterin in Rwanda, Johanna König, und den Rebellen der TDP gekommen sein, im Dezember 2005 sogar zum Besuch eines deutschen Diplomaten in der Mine. Immerhin ist die deutsche Regierung als Minderheitsaktionärin an SOMIKIVU beteiligt. Recherchen der UNO und anderer Stellen dokumentieren inzwischen eine enge Beteiligung deutscher Rohstoffkonzerne an der Ausplünderung im östlichen Kongo – und somit wohl auch an der Finanzierung der kriegsverbrecherischen Rebellen.

Afrikapolitik Deutschlands

All dies ist kein Zufall, behauptet german-foreign-policy: "Lueshe liegt in Grenznähe zu Ruanda, das in der deutschen Afrikapolitik eine besondere Rolle spielt – als ehemaliges Kolonialgebiet des Kaiserreiches mit einer Berlin günstigen Infrastruktur und Elitenanbindung." Auch die folgende Formulierung wird das Vertrauen der Regierung Kabila in die militärische Operation der EU wohl nicht erhöhen: "Die Intervention der EU-Truppen stellt den Versuch dar, die politischen Voraussetzungen für eine langfristige Ausbeutung der kongolesischen Reichtümer militärisch abzusichern und zu einer möglichst einvernehmlichen Aufteilung der jeweiligen Einflussgebiete ('Schutzzonen‘) zwischen den westlichen Industriestaaten zu kommen. Damit wird das staatliche Schicksal des Kongo, dessen Zerrüttung mit der europäischen Kolonisierung begann, auf höherer Stufe fortgeschrieben."

(Der Volltext des Artikels erscheint in der aktuellen Ausgabe von "Indaba.)