Berlin - Der Berliner Völkerrechtler Christian Tomuschat hat die Israel-Kritik der deutschen Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul unterstützt. Die UNO-Charta spreche den Staaten zwar das Recht zur Selbstverteidigung nach einem militärischen Angriff auf ihr Territorium zu. "Hier muss jedoch zwischen dem 'Was' und dem 'Wie' unterschieden werden", erklärte der an der Humboldt-Universität lehrende Tomuschat in einem Gespräch mit der Zeitung "Der Tagesspiegel" (Mittwoch-Ausgabe). Die Bombardierung nicht eindeutig militärischer Ziele sei mit den völkerrechtlichen Abkommen zum Schutz der Zivilbevölkerung "nur schwer vereinbar", zumal im Libanon schon mehr als 230 Zivilisten getötet worden sind.

Krieg nur gegen Kombattanten

"Die Vierte Genfer Konvention legt fest, dass Krieg nur gegen Kombattanten geführt werden darf. Ob dies zum Beispiel bei einem Angriff auf ein Elektrizitätswerk oder auf den Flughafen gegeben ist, halte ich für fragwürdig", sagte der deutsche Rechtsprofessor. Völkerrechtlich sei zwischen dem grundsätzlichen Selbstverteidigungsrecht der Staaten, dem "ius ad bellum", und den Formen der Kriegsführung, dem "ius in bellum", zu unterschieden. Der Londoner Völkerrechtler Philippe Sands vertritt sogar die Auffassung, Angriffe auf zivile Einrichtungen seien selbst dann verboten, wenn sich die gegnerischen Angriffe auf solche Ziele richteten.

Die SPD-Politikerin Wieczorek-Zeul hatte die israelische Bombardierung von "zivilen Einrichtungen und Zivilisten in einem anderen Staat" als "völkerrechtlich völlig inakzeptabel" bezeichnet und war damit auf scharfe Kritik seitens des Zentralrats der Juden gestoßen. Die deutsche Bundesregierung hat die Entwicklungsministerin gegen die Kritik des Zentralrats in Schutz genommen. Es gehe jetzt darum, wie durch gemeinsame Anstrengungen die Lebensbedingungen für die schwer geprüfte Zivilbevölkerung im Libanon verbessert werden könnten, sagte ein Regierungssprecher in Berlin. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, nannte Wieczorek-Zeul "nicht länger tragbar". Die Ministerin betreibe antiisraelische Propaganda und bediene "Klischees gegen den jüdischen Staat". Regierungssprecher Thomas Steg erwiderte, die Ministerin habe in ihrer politischen Laufbahn keinen Zweifel an ihrer positiven Haltung gegenüber Israel aufkommen lassen. (APA)