Die Handelsketten Billa und Interspar beweisen wieder einmal ihr kaufmännisches Talent. Etliche Mitarbeiterinnen in den Sommermonaten lässt man sich von der öffentlichen Hand, also vom AMS, sponsern.
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Das AMS bezahlt Mitarbeiterinnen im Handel. Die Ketten hätten versprochen, ein Viertel der Wiedereinsteigerinnen nach einem Probemonat zu behalten. "Zynismus pur", sagen Kritiker. Es gehe nur um gratis Urlaubsvertretungen.

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Wien - Das Arbeitsmarktservice (AMS) geht neue, wenn auch höchst umstrittene Wege in der Vermittlung von Wiedereinsteigerinnen. Schwerpunktmäßig in Wien und vor allem in den Monaten August und September bezahlt das AMS dabei Mitarbeiterinnen in den Handelsketten Billa & Interspar aus öffentlichen Fördergeldern zur Gänze.

Ob an der Kassa, in der Feinkost, im Lager oder in der Regalbetreuung: Billa beschäftigt in Wien zwischen 24. Juli und 31. August von Montag bis Freitag (8.00 bis 12.00 Uhr) 70 Mitarbeiterinnen, die das AMS schickt. Die Entlohnung für den 20-Stunden-Job beträgt 640 Euro brutto oder rund 525 Euro netto. Wobei alle Lohn- und Lohnnebenkosten vom AMS bezahlt werden. Interspar will auf diese Weise im August und September 80 Wiedereinsteigerinnen beschäftigen, die Verträge laufen einen Monat, die Konditionen sind sonst gleich.

Chance auf Dauerjob?

Spar-Sprecherin Nicole Berkmann sagt dazu: "Das war nicht unsere Idee, aber wir nutzen die Möglichkeit, die uns hier angeboten wurde. Bei unserem hohen Personalbedarf stehen die Chancen sehr gut, dass Mitarbeiterinnen fix übernommen werden."

Auch das AMS rechtfertigt die Aktion genau mit dem Hinweis auf die Zusage, wonach die Lebensmittelketten bis zu 25 Prozent der Wiedereinsteigerinnen nach dem Probemonat weiter beschäftigen würden. "Da geschieht nichts Unrechtes, wir ziehen halt alle Register, um unserem Auftrag gerecht zu werden", sagt AMS-Wien-Chefin Claudia Finster. Auch bei relativ teuren Qualifikationsprogrammen wäre man mit einer Erfolgsquote von 20 bis 30 Prozent hoch zufrieden, sagt Finster.

AMS-Bundesvorstand Johannes Kopf sagt jedoch: "Wenn diese Vereinbarung mit den Handelsketten nicht hält, wird das Programm sofort eingestellt." Grundsätzlich hält Kopf die Aktion aber für einen "sinnvollen Ansatz in einer extrem schwierigen Zielgruppe - auch um einmal neue Wege zu testen."

KritikerInnen, wie der Grünen-Sozialsprecher Karl Öllinger, sprechen hingegen von "Zynismus pur". Hier gehe es um eine "Unternehmenssubvention, ohne jegliche Nachhaltigkeit", da in den allermeisten Fällen klar und dokumentierbar sei, so Öllinger, dass sich die Ketten nur ihre "Urlaubsvertretungen" vom AMS bezahlen lassen.

Von einem Probemonat könne keine Rede sein. Wie ernst die Option auf einen Dauerarbeitsplatz gemeint sei, gehe aus den Einsatzplänen für Interspar hervor, sagt der Abgeordnete: Denn dort würden für August und September jeweils unterschiedliche Urlaubsvertretungen für eine Filiale gesucht werden.

Dem Vernehmen nach soll die Aktion auch bei Merkur anlaufen und laut AMS Wien auch auf Call Center oder bei älteren Arbeitslosen auf das Wiener Gartenbauamt oder die MA 48 ( Müllabfuhr) ausgedehnt werden. Öllinger: "Und alles nur, damit einige hundert Arbeitslose für ein bis zwei Monate vor der Wahl als erfolgreich vermittelt gelten."

Das neue an dieser AMS-Aktion ist wohl, dass relativ breit 100-prozentige Lohnförderungen gewährt werden, was bisher nur in Einzelfällen bei Langzeitarbeitslosen oder Arbeitslosen über 55 geschah, "standardisiert sicher nicht", so Kopf. AMS-Wien-Chefin Finster sagt dazu: "Das war das Entree, damit die Unternehmen überhaupt bereit waren, mit uns zu verhandeln."

Hintergrund ist ein Jobpaket der Regierung von 2005, bei dem das AMS heuer 285 Mio. Euro - das größte Beschäftigungsprogramm bisher - zur Vermittlung Arbeitsloser ausgeben darf oder muss - je nach Sichtweise. Allfälliger Unmut scheint dabei zweitrangig: "Die vermutete Beschwerdeflut wird in Kauf genommen", heißt es in einem internen AMS-Schreiben. (Michael Bachner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.7.2006)