Zur Person

Fritz Hausjell ist Professor für Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien.

Foto: Bettina Frenze
In den vergangenen Jahrzehnten hat die internationale Medienlandschaft einen rasanten Wandel erlebt. Große Medienkonglomerate sind entstanden, Interessenskonflikte zwischen JournalistInnen und Eigentümern nehmen zu. Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell beschreibt im Interview mit Christa Hager Strategien gegen eine solche Einflussnahme und kritisiert unter anderem die unzureichende Medienpolitik in Österreich.

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derStandard.at: Im Zentrum der Sommerakademie standen aktuelle Konflikte und die Notwendigkeit einer ausgewogenen Berichterstattung. Wie ist jene angesichts der wirtschaftlichen Interessen vieler Medienkonzerne überhaupt möglich?

Fritz Hausjell: Den Konflikt zwischen den ökonomischen Interessen von Medienunternehmen und den von JournalistInnen hat es immer schon gegeben. Die Entwicklung, dass es sich bei den EigentümerInnen zunehmend um Industriebetriebe handelt, ist aber neu. Der Typus des klassischen Herausgebers einer Zeitung oder des Betreibers einer Radio- oder Fernsehstation, rückt in den Hintergrund.

Auf die verschärfte Problematik haben JournalistInnen bereits in den späten 60er Jahren mit Redaktionsstatuten reagiert, um die innere Medienfreiheit und die Spielregeln zwischen Eigentümer und JournalistInnen zu definieren. Oder sie beteiligten sich an den Medien, um mittels Sperrminoritäten mitreden zu können. Interessenkonflikte mit dem Eigentümer sind jedoch auch in öffentlich-rechtlichen Medien vorhanden, wie man am Beispiel von BBC und der Frage nach Massenvernichtungswaffen im Irak sehen konnte.

derStandard.at: Dennoch lässt sich die "Interessensvertretung" durch Medien nicht bestreiten.

Hausjell: Das ist auch der Grund, warum wir relativ selten über ökonomische Motive erfahren, die vielen dieser Kriege und Konflikte zugrunde liegen. Konzerne, besonders Rüstungsindustrien, sind diejenigen, die von jenen Auseinandersetzungen profitieren, weil sie neue Absatzmärkte öffnen, oder Zugang zu Rohstoffen ermöglichen. Sie treten aber auch gleichzeitig als potente Inserenten auf, denn viele dieser Konglomerate handeln nicht nur mit Waffen. Hier spielt der Inseratenboykott eine gewichtige Rolle. Dieser funktioniert zwar nicht immer, aber die schwächeren Medien sind natürlich anfälliger dafür. Aber wenn es einen Konsens darüber gibt, dass solche Fälle medial thematisiert werden, macht man sich weniger erpressbar.

Viele Unternehmen würden relativ schnell scheitern, wenn sie in diesen Fällen breit geächtet würden. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass dem so ist. Das Entgegenkommen gegenüber der werbenden Wirtschaft in vielen Medien, gerade im redaktionellen Teil, ist sehr groß. Es liegt die Vermutung nahe, dass im Vorfeld etliche Geschichten verhindert werden.

derStandard.at: Wie kann man als MedienkonsumentIn auf diese Tendenzen reagieren?

Hausjell: Mit Medienkompetenz. Es ist erstaunlich, dass dieser Bereich nach wie vor so unterentwickelt ist. Es geht darum, und dies sollte schon von klein auf mitgegeben werden, nicht nur Defizite an der Berichterstattung erkennen zu können, sondern auch zu wissen, wo man sonst noch zu Informationen kommen kann.

derStandard.at: Mangelt es in Österreich nicht auch einer öffentlich-kritischen Reflexion von Medien?

Hausjell: Ja. Mutiger Medienjournalismus fehlt hier fast zur Gänze. Der Mangel an intermediärer Kritik hat ganz klar mit der Verschränkung der Medien zu tun. Abgesehen von ein paar wenigen sind alle an Interessen gebunden. Sie verzichten fast völlig auf Medienberichterstattung oder beschränken sich auf Bereiche, die für sie ungefährlich sind - über das Fernsehprogramm zu lästern tut niemanden wirklich weh.

derStandard.at: Spiegelt das geringe Angebot der Medienlandschaft in Österreich die Nachfrage wider?

Hausjell: Nein. Jede Gesellschaft hat die Zeitungen, die es aufgrund der Rahmenbedingungen durch die Medienpolitik haben kann. Letztere hat in Österreich über Jahrzehnte hinweg große Versäumnisse aufzuweisen. Daraus entwickelt sich eine Eigendynamik, welche die Markteintrittschancen für neue Mitbewerber drastisch senkt. Auch gezielte Fördermaßnahmen fehlen, um dies zu konterkarieren.

Nicht nur an der Entwicklung des Öffentlich Rechtlichen Rundfunks zeigt sich, dass das politische Interesse an Medienpluralität relativ gering ist. Im Regierungsprogramm der vergangenen beiden Legislaturperioden gibt es keinen einzigen Satz darüber, welches die Aufgaben der Medien in einer modernen Gesellschaft sind. Anstelle von Zielsetzungen werden technologische und wirtschaftliche Prozesse beschrieben und wie jene umzusetzen sind: den Markt für privates Fernsehen freigeben, weil jene Fernsehen machen wollen. Ob damit zum Beispiel mehr Vielfalt gewährleistet wird, bleibt unhinterfragt.

Man verkennt nicht nur die Bedeutung der Medien und Informationsmittel, sondern auch deren Rolle zur Absicherung und Erweiterung der demokratischen Gesellschaft. Ein demokratisches System funktioniert nur dann gut, wenn Medien möglichst gute Umschlagplätze für Informationen sind und wenn sie einen Teil der Kritik- und Kontrollfunktion erfüllen.

derStandard.at: Ist es demokratiepolitisch nicht bedenklich, dass ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung von und in den Medien ausgeschlossen ist? MigrantInnen werden meist in einem negativen Kontext "abgehandelt".

Hausjell: Es muss in diesem Bereich noch sehr viel geleistet werden, damit die Medien nicht Teil des rassistischen Diskurses bleiben. Dass dies der Fall ist, wird sicherlich nicht immer gewollt. Es gibt in Österreich in diesem Bereich keine Weiterbildungsangebote, auch die Fachpresse beschäftigt sich nicht damit. Alle Studien über die Berichterstattung zu Asyl- und Migrationsthemen zeigen, dass es einen extremen Überhang im Bereich Kriminalität und eine starke Orientierung am Konflikt, meist politischer Natur, gibt.

Die Betroffenen kommen hingegen selten zu Wort. Das hat natürlich nicht nur mit der Sprachbeherrschung von JournalistInnen zu tun. Denn auch die ganz einfachen Lebensinteressen von MigrantInnen werden kaum in Medien berücksichtigt. Eine der Folgen ist ein zunehmend segregierter Medienmarkt. Es bedarf in diesem Bereich eines großen Bewusstseinswandels. Der Multikulturalismus in den Medien, auch in den Redaktionen, wäre ein wichtiger Schritt in diese Richtung.