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Der letzte große Franzose, Bernard Hinault (links), mit Floyd Landis, dem aktuellen Tour-Führenden.

Foto: AP/Czerwinski
Carcassonne/Wien - Sie liegen ihm immer noch zu Füßen, er wird auf Schritt und Tritt von den Fans verfolgt und muss jeden Tag dutzende Autogramme geben. Bernard Hinault (51), selbst ein VIP, betreut andere VIPs und Sponsoren und begleitet also auch die aktuelle, die 93. Tour. Täglich zeigt er sich, um dem Mann im Gelben Trikot zu gratulieren. Am 23. Juli wird Hinault in Paris stehen und dem Gesamtsieger die Hand schütteln, und so wie es aussieht, wird das wieder kein Landsmann sein.

Die Tour-Bilanz sieht Frankreich mit 36 Erfolgen überlegen vor Belgien (18), den USA (10), Italien (9) und Spanien (8) voran. Doch seit 1985 wartet die große Nation auf einen Heimsieg. Damals durfte Hinault vor seinem US-Teamkollegen Greg LeMond dank Stallorder gewinnen, er sagte LeMond im Gegenzug seine Hilfe für 1986 zu. Man kann getrost von einer neuzeitlichen Bilanz sprechen, in der Frankreich nicht mehr vorkommt, seit 1985 dominierten die USA (10 Siege) und Spanien (6), je ein Sieg ging an Irland, Dänemark, Deutschland und Italien. Franzosen machten nur noch im gepunkteten Trikot auf sich aufmerksam, allein siebenmal konnte Richard Virenque den Preis des besten Bergfahrers holen. Virenque war 1997 als Zweiter hinter Jan Ullrich auch der letzte Podest-Franzose.

Den Hausherren geht ein Allrounder ab, auch deshalb konzentrieren sie sich auf die Berge - und auf den 14. Juli. 15-mal hat ein Franzose am Nationalfeiertag gewonnen, diesmal wurde nicht einmal daraus etwas. Nicolas Portal (Team Illes Balears) jammerte gegenüber der deutschen Tageszeitung Die Welt: "Seit Jahren träumt die Nation von einem neuen Hinault. Je mehr Zeit vergeht, desto schlimmer wird es für uns, die Fahrer. Man fühlt sich von allen Seiten bedrängt - von der Öffentlichkeit, der Presse, den Sportdirektoren."

In Frankreich, wo Dopingsünder seit langem verfolgt und mit Haftstrafen bedroht werden, sprachen die Fans oft von einem "Radsport der zwei Geschwindigkeiten". Sie sahen Fahrer anderer Länder, in denen Doping noch als Kavaliersdelikt galt, im Vorteil. Mittlerweile setzen Italien und Spanien den Dopingsündern nicht minder hart zu, und doch wird es wieder nichts mit einem Heimsieg.

Ein Jahr war schnell vergangen. 1986 konnte sich Hinault, den sechsten Toursieg vor Augen, an sein Versprechen gegenüber LeMond plötzlich nicht mehr erinnern, er griff an. Doch LeMond konterte und nützte einen Hungerast des Konkurrenten. Auf der Alpe d'Huez kamen sie nach einer 90-km-Flucht gemeinsam an. LeMond hatte sich durchgesetzt und den letzten großen Franzosen besiegt. (Fritz Neumann - DER STANDARD PRINTAUSGABE 15./16.7. 2006)