Derzeit noch vereint: Ahmet Özen, Lebensgefährtin Sadegül und Söhnchen Attakan. Doch die Fremdenbehörde in Zell am See will sie auseinanderreißen

Foto: Özen
Ein eineinhalbjähriger Bub – Kind von in Österreich geborenen Eltern – soll laut Fremdenbehörden ausreisen, um aus dem Land seiner Vorfahren, der Türkei, einen Antrag auf Aufenthalt laut neuem Fremdenrecht zu stellen. Schuld daran: ein Fristversäumnis.

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Zell am See/Wien – Eineinhalb Jahre ist Attakan, geboren im Salzburger Zell am See, inzwischen alt. Seine erste längere Reise könnte in die Türkei führen – doch der Aufenthalt in dem Land, aus dem seine Vorfahren vor zwei Generationen nach Österreich eingewandert sind, wäre unfreiwillig.

Zwangsurlaub unbekannter Dauer

„Meine Frau Sadegül und ich müssten uns vorübergehend trennen. Ich würde in Österreich bleiben und arbeiten, sie würde mit unserem Sohn in die Türkei fahren, um seinen Aufenthaltsantrag einzubringen und dort die Entscheidung abzuwarten“, schildert Attakans Vater Ahmet Özen (33).

Keine Verwandten in der Türkei

In der Türkei müssten die 26-jährige Sadegül und Sohn Attakan dann „wohl in einer Pension oder einem Hotel wohnen“. Nähere Verwandte habe dort keiner von ihnen mehr – Jahrzehnte nach dem Verlassen der früheren Heimat habe die Familie den Kontakt dorthin verloren.

Auslöserin all dieser Erwägungen ist eine Auskunft der Bezirkshauptmannschaft Zell am See, die die jungen Eltern „wie ein Blitz aus heiterem Himmel“ getroffen hat. „Vor wenigen Wochen sprachen wir bei der Behörde vor, um für unseren Sohn ein Visum zu beantragen. Wir erhielten die Auskunft, dass Erstanträge auf Niederlassung laut neuem Fremdenrecht nur aus dem Ausland gestellt werden können“, erzählt der Kindesvater.

"Fristversäumnis"

Auf seine Entgegnung, dass Attakan in Österreich das Licht der Welt erblickt habe, dass sein Vater Österreicher und seine Mutter – wenn vom Pass her auch Türkin – hier geboren sei, habe der zuständige Beamte nur auf ein „Fristversäumnis“ hingewiesen: In den ersten sechs Monaten nach der Geburt hätte das Baby-Aufenthaltsrecht bequem aus dem Inland erwirkt werden können, noch dazu nach dem früheren, milderen Fremdenrecht – dann eben nicht mehr.

„Ich habe eingewendet, dass es nur schwer vorstellbar ist, ein kleines Kind behördlicherseits in die Fremde zu verbannen“, erzählt Ahmet Özen. So seien eben die Gesetze, habe der Beamte erwidert.

Amtsschimmellogik

Dieser Amtsschimmellogik hält der Kindesvater im STANDARD-Gespräch die Tücken seines Einzelfalls entgegen: Als Attakan am 1. Dezember 2004 geboren wurde, sei Sadegül noch in eine konflikthafte Scheidung in der Türkei verwickelt gewesen. Der Ex-Mann habe sich geweigert, zu bestätigen, dass der Bub nicht sein Kind ist: „Also haben wir mit behördlichen Schritten zugewartet.“ Von den seit 2006 neuen Fremdengesetzen und ihren strikten Fristen habe er „nichts gewusst“.

Anwalt: "Ins Ministerium gehen"

„Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“, erwidert hier eine Kollegin des derzeit auf Urlaub befindlichen Beamten in Zell am See. Ahmet Özen sei ohnehin „alles Nötige erklärt“ worden, „danach muss er sich jetzt auch richten“ – Ausreise in die Türkei inklusive. Das will Thomas Neugschwendtner vom Wiener Anwaltsbüro Embacher, Soyer und Bischof nicht hinnehmen: Er habe den Özens geraten, den Visumsantrag für Attakan im Inland zu beantragen und mit der Ablehnung dann „ins Ministerium zu gehen“. Dort wisse mancher Jurist wohl nicht, „wie unnachgiebig einige Bezirkshauptmannschaften mit den neuen Regelungen hantieren“, ergänzt Flüchtlingshilfsanwalt Peter Marhold.

Im „Fall Attakan“ werde es eine humanitäre Lösung geben, heißt es auf Standard-Anfrage denn auch wirklich aus dem Innenministerium. Den „Formalfehler“ der Eltern werde man zu umschiffen wissen – an den zu Grunde liegenden Gesetzen werde aber sicher nichts verändert. (Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe, 14.07.2006)