Brüssel - Rund hundert Europaabgeordnete haben den
russischen Präsidenten Wladimir Putin aufgefordert, dem in Sibirien
inhaftierten früheren Erdölmagnaten Michail Chodorkowski einen neuen
Prozess zu ermöglichen. Chodorkowski solle in ein Gefängnis nahe
Moskau verlegt werden und "rasch einen fairen Prozess" erhalten,
heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Brief, den unter
anderem der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP)
im Europaparlament, Hans-Gert Pöttering (CDU), und der Chef der
Liberalen, Graham Watson, unterzeichneten.
Die Abgeordneten verweisen ausdrücklich auf die "konstanten
Menschenrechtsverletzungen während Verhaftung, Prozess und Haft"
Chodorkowskis. Der Prozess, der zu seiner Verurteilung geführt habe,
sei "eine Parodie der Justiz" gewesen.
Chodorkowski werde zudem entgegen dem russischen Gesetz weit
entfernt von seiner Familie in Sibirien festgehalten, heißt es in dem
Brief weiter. Der am Samstag in St. Petersburg beginnende G-8-Gipfel
dürfe nicht von der "brutalen Behandlung" Chodorkowskis überschattet
werden. Der Brief wurde gleichzeitig den anderen Teilnehmern des
G-8-Gipfels übermittelt.
Russlands einstmals reichster Mann verbüßt derzeit in einem
Straflager im sibirischen Krasnokamensk an der Grenze zu China eine
achtjährige Haftstrafe, zu der er im Mai 2005 wegen
Steuerhinterziehung und Betrugs verurteilt worden war. Westliche
Politiker sprachen von einem politischen Prozess, weil Chodorkowski
Oppositionsparteien sowie Bürger- und Menschenrechtsgruppen
finanziell unterstützt und aus seiner Gegnerschaft zu Staatspräsident
Putin keinen Hehl gemacht hatte. (APA)