Helsinki - EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn ist mit dem Tempo der Reformen in der Türkei unzufrieden. Es sehe so aus, als hielte die Türkei ihre Reformpolitik "auf Sparflamme", kritisierte Rehn auf einer Pressekonferenz am Donnerstag in Helsinki die Regierung in Ankara. Gleichzeitig warnte der EU-Kommissar aber ausdrücklich davor, einen Konflikt heraufzubeschwören und einen möglichen Stopp der Verhandlungen mit der Türkei als "Teufel an die Wand zu malen".

Rehn sagte, die Türkei müsse insbesondere in den Bereichen Meinungsfreiheit, Rechte von Frauen, Berufsverbänden und Religionsfreiheit ihren Reformwillen bekräftigen und erneut entsprechende Maßnahmen setzen. Die Situation sei derzeit "eher grau als schwarz-weiß", weil etwa im Bereich der Frauenrechte die Türkei im vergangenen Jahr sehr wohl ein Gesetz erlassen habe, das mit dem Standard der skandinavischen Länder vergleichbar sei, in der Praxis gebe es jedoch noch Schwierigkeiten.

Zypern-Frage

Der EU-Kommissar nannte den 24. Oktober als Termin für den Fortschrittsbericht der EU-Kommission über die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Das ist vier Tage nach dem informellen EU-Herbstgipfel in der finnischen Stadt Lahti. Wenn die Türkei sich bei den Reformen und in der Zypern-Frage an ihre Verpflichtungen halte, dann gebe es keinen Grund, die Verhandlungen abzubrechen, so Rehn, der es als "große Aufgabe" für das Ratsvorsitzland Finnland bezeichnete, innerhalb der EU "Einverständnis" über die Notwendigkeit der Fortführung des Erweiterungsprozesses ohne neue Kriterien herzustellen.

"51. Bundesstaat der USA"

Im Kosovo habe die EU eine "große Verantwortung", da es sich vorbehaltlich des endgültigen Status der derzeit unter UNO-Verwaltung stehenden südserbischen Provinz, um potenziell künftiges Gebiet der EU und "nicht um den 51. Bundesstaat der USA" handle. Die Union müsse dafür sorgen, "dass alle Kosovaren das Gefühl haben, im Land volle Bürgerrechte zu genießen, damit wir negative Folgen vermeiden können, sobald der neue Status des Kosovo in Kraft tritt". Der Kosovo habe ebenso wie die anderen Länder des Westbalkan eine europäische Perspektive, die langfristig auch die Möglichkeit einer Mitgliedschaft beinhalte. (APA)