Karl Sandner ist der Vizerektor für Lehre an der WU Wien.

Foto: WU Wien
Wie aus einer kürzlich veröffentlichten Studie der Wirtschaftsuniversität Wien hervorgeht, bricht bereits jeder dritte Studierende sein Studium innerhalb des ersten Jahres ab. Karl Sandner, Vizerektor für Lehre an der WU Wien, befürchtet, dass die Anfänger nicht wissen, was sie erwartet. Die drei Hauptfaktoren für den Abbruch, Berufstätigkeit, Orientierungslosigkeit und fehlende Kommunikation an der Massenuni, seien aber nicht nur an seiner Universität ein Problem. Im Interview erklärt Sandner, wie sich die WU auf die 4.000 StudienanfängerInnen im kommenden Herbst vorbereitet.

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derStandard.at: Laut einer Studie bricht rund ein Drittel aller Erstinskribierten das WU-Studium irgendwann innerhalb der ersten zwei Semester ab. Wo sehen Sie die Gründe für die hohe Abbruchsquote?

Sandner: Erstens in der Nicht-Entsprechung der Erwartungen der Studierenden mit der Realität an der WU, wie zum Beispiel: Leistungsanforderungen, (notwendigerweise) viele Großlehrveranstaltungen im ersten Studienjahr oder Studieninhalte.

Zweitens zeigen unsere Daten, dass Studierende, die nicht recht wissen was sie wollen ("jetzt schau´ich mir einmal die WU an"), eine sehr geringe Chance haben, ein WU-Studium erfolgreich abzuschließen.

derStandard.at: Aus dem Bericht geht hervor, dass vorwiegend Berufstätige ihr Studium verfrüht abbrechen. Sind die Studienrichtungen an der WU ungeeignet für berufsbegleitendes Studieren? Gibt es Maßnahmen, um berufstätigen Studierenden entgegenzukommen (wie etwa Abendkurse)?

Sandner: Die Bologna-Erklärung weist nicht zu Unrecht darauf hin, dass ein Regelstudienjahr ca. 1500 Arbeitstunden beansprucht. Rechnet man nun die berufliche Beanspruchung dazu, dann sieht man die Gesamtbelastung sehr deutlich; die daraus entstehenden Probleme sind evident. Um den berufstätigen Studierenden entgegenzukommen, werden an der WU alle Fächer des ersten Studienabschnitts auch als Abendprogramm angeboten; weiters ist mittlerweile das erste Studienjahr fast zur Gänze auch über E-learning verfügbar.

Im zweiten Studienabschnitt bieten wir relativ viele Lehrveranstaltungen auch im Block-System und an Wochenenden an, was ebenfalls den berufstätigen Studierenden entgegenkommt.

derStandard.at: Ein weiterer Grund für die Drop-Out-Quote ist die Unübersichtlichkeit an der Massenuni. Können hier Defizite ausgeglichen werden, oder ist das ein unüberbrückbares Problem einer jeden großen Universität? Was wird getan, um die Kommunikation zwischen ProfessorInnen und Studierenden zu verbessern?

Sandner: Unübersichtlichkeit ist eine subjektive Empfindung, die, falls vorhanden, zu akzeptieren ist. Tatsache ist, dass im ersten Studienjahr das gesamte Lehrprogramm in vorbereiteten "Schienen" angeboten wird (also übersichtlich gemacht wird). Das heißt, wir bieten fast ein Dutzend zeitlich unterschiedliche Stundenpläne an, in die sich jeder Studierende einbuchen kann, aber nicht muss (wer nicht will, wählt sich sein Lehrveranstaltungsprogramm individuell aus).

Weiters werden alle Lehrveranstaltungsprüfungen des ersten Studienjahres terminlich so angelegt, dass es zu keinen Kollisionen kommt. Ab dem Wintersemester 2006/07 werden wir zur Entlastung der Großlehrveranstaltungen TutorInnen einsetzen.

derStandard.at: Die aus der Studie hervorgegangenen Hürden an der WU könnten als Selektion interpretiert werden. Inwiefern werden Studieninteressierte im Vorfeld auf mögliche Hindernisse im Studium hingewiesen? Versucht die WU so genannte "Orientierungslose" schon vor Studienbeginn auszusieben?

Sandner: Wir bemühen uns seit Jahren, unsere (prospektiven) Studierenden so gut wie möglich über die WU und ihre Studiensituation zu informieren. Das jüngste Produkt in diesem Zusammenhang ist "move!Der WU-Guide für Studierende", der unter anderem an alle Mittelschulen gesandt wird und den alle StudienbeginnerInnen erhalten. Er soll MaturantInnen auf die für sie neue Situation vorbereiten.

Wir gehen davon aus, dass die "Orientierungslosigkeit" in dem Ausmaß abnehmen sollte, je präziser uns die Darstellung gelingt, was die Studierenden an der WU erwartet.

derStandard.at: Wie interpretieren Sie selbst die Ergebnisse der Studie? Werden die Resultate herangezogen, um die Situation an der WU zu verbessern?

Sandner: Die Ergebnisse sind nicht wirklich neu für uns, wir hatten schon bisher begründete Vermutungen. Ihre Frage spricht das zentrale Problem an: Die Studiensituation im ersten Studienjahr an der WU Wien (Prognose für das WS 2006/07: über 4000 StudienanfängerInnen) ist, wenn man nicht sehr sehr viel Geld in die Hand nimmt, nicht wirklich lösbar und man kommt zu keinen sinnvollen Betreuungsrelationen.

Angesichts dessen versuchen wir, mit dem Mengenproblem, mit der Berufstätigkeit und anderen Problemen so gut wie möglich zurechtzukommen und unseren Studierenden eine faire Erfolgschance einzuräumen. (Interview: Elisabeth Oberndorfer)