Die Außenminister der EU sind sich derzeit völlig uneinig, wie sie auf die Vorgänge im Nahen Osten bei ihrem Treffen am kommenden Montag reagieren sollen. Eine Gruppe von Ländern - darunter Finnland, Irland, Schweden, Zypern, Malta und die meisten neuen Mitglieder im Osten - fordert eine einseitige Verurteilung Israels.

Sie wollen in der zu verabschiedenden Schlussfolgerung die Reaktion Israels auf die Entführungen als "völlig unangemessen und überschießend" bezeichnen. Dagegen stellen sich Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Tschechien sowie auch Österreich. Diese Länder lehnen eine einseitige Verurteilung Israels strikt ab, sagte ein hoher Diplomat in Brüssel.

Vor allem Deutschland werde dem nie zustimmen, hieß es. Insgesamt wird die Situation als "überaus ernst" bezeichnet, und man befürchte, in die schlimmste Krise seit vielen Jahren zu schlittern.

"Es ist verblüffend, wie der Friedensprozess quasi innerhalb von Minuten von Extremisten übernommen werden konnte", so der Diplomat. Zusätzliche Brisanz bekomme das Thema, da man Indizien habe, dass der Iran sehr aktiv im Spiel sei, die Hisbollah unterstütze und durchaus weiter Öl ins Feuer gießen würde. "Wenn man dazu bedenkt, dass der Iran dann an der anderen Front, bei den Atomgesprächen, nur noch verzögert und sich keinen Millimeter mehr bewegt, bemerkt man die neue Dimension an Brisanz."

"Alarmiert" von der jüngsten Gewalteskalation hat sich EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner gezeigt. "Ich verurteile ohne Reserve vor allem das Kidnapping der Hisbollah." Dass Israel auf die Entführung reagiere, sei "verständlich". Dies sei aber auch "eine Frage des Ausmaßes", meinte sie. (Michael Moravec aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 14.7.2006)