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Der Zugsverkehr unter dem Ärmelkanal sei vorläufig nicht gefährdet, beruhigte Eurotunnel-Chef Jacques Gounon die Passagiere zwischen London, Brüssel und Paris. Sonst läuft nicht mehr viel bei dem 1994 eröffneten Jahrhundertprojekt: Er sehe sich gezwungen, Gläubigerschutz zu beantragen, teilte Gounon in einer Pressekonferenz am Donnerstag mit. Damit muss Eurotunnel seine Schulden vorläufig nicht mehr bezahlen; das Handelsgericht in Paris sucht inzwischen eine Einigung mit den Geldgebern. Diese hatten am Mittwoch ein Ultimatum von Eurotunnel verstreichen lassen und damit ein Stundungs-Abkommen nach jahrelangen Verhandlungen verhindert.

Im Mai hatten die so genannten „erstrangigen” Gläubiger mit Eurotunnel zwar ein Abkommen geschlossen, das die horrenden Bauschulden von 8,9 Mrd. Euro um gut die Hälfte abträgt; im Gegenzug wären diese Geldgeber wie etwas Goldman Sachs massiv ins Aktienkapital eingestiegen. Die Kleinaktionäre hatten sich bereit erklären müssen, ihren Kapitalanteil von 70 auf 13 Prozent zu senken.

Bittere Pille

Das war eine sehr bittere Pille für die 800.000 vorwiegend französischen Kleinsparer, die nicht zuletzt aus Nationalstolz für bis zu 20 Euro Aktien gekauft hatten, die jetzt gerade noch 44 Cents wert sind. Ohne Einigung mit den Hauptgläubigern hätte allerdings der Konkurs gedroht, bei dem die Papiere der Kleinaktionäre völlig wertlos würden. Eine kleinere Gruppe von „zweitrangigen” Gläubigern um die Deutsche Bank hat diese Einigung nun aber zurückgewiesen. Sie schlagen einen eigenen Plan vor, der die Schulden nicht nur um die Hälfte, sondern um fast zwei Drittel auf 3,7 Mrd. Euro reduziert und den Kleinaktionären mindestens 16 Prozent Kapital belässt; gleichzeitig erhielte die Deutsche Bank darin aber eine sehr starke Stellung.

Eurotunnel und die erstrangigen Gläubiger lehnen das als „unvernünftig” ab. Deshalb befinden sich die Verhandlungen in der Sackgasse. Nun wird spekuliert, dass sich die diversen Geldgeber in letzter Sekunde zusammenraufen und doch noch einen Kompromiss finden. (Stefan Brändle, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.7.2006)