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Dass Kurt Beck keinen Spaß versteht, kann keiner behaupten: Im Mai setzte er sich bei einem Fest die Clownnase auf.

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Das "Titanic"-Cover im Juni ging Beck zu weit.

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Kohl als Partner der rechtsextremen Deutschen Volksunion: 1998 am "Titanic"-Cover.

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Mlody polski kartofel - neuerdings schreibt Deutschlands linksalternative tageszeitung (taz) auf ihrer Website auch auf polnisch. Schließlich soll man auch im Nachbarland Polen verstehen, warum sich der neue Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski so aufregt und weswegen die deutsch-polnischen Beziehungen plötzlich belastet sind - und dass die Berliner taz-Redaktion gerade einen ziemlich großen Spaß hat.

Auch rund 500 Kilometer südlich herrscht in einer Redaktion Heiterkeit. Die Redaktion des Satire-Blattes Titanic freut sich in Frankfurt/Main über jede Menge Gratis-Werbung. Seit SPD-Chef Kurt Beck das "endgültige Satire-Magazin" (Eigenbeschreibung) geklagt hat, weil ihn dieses als "Problembären", den man abknallen müsse, dargestellt hat, darf Titanic das beanstandende Cover zwar nicht mehr verwenden - einschüchtern oder gar kleinkriegen lässt man sich dort aber nicht. "Der gemütliche Brummbär Kurt hatte vielleicht einen schlechten Tag", sagt Chefredakteur Thomas Gsella zum STANDARD und erweitert die berühmte Antwort von Kurt Tucholsky auf die Frage was Satire dürfe ("Alles!") ein wenig. Gsella: "Satire darf alles, was wir für angemessen halten."

Weniger lustig

Weniger lustig als bei Titanic und taz ist derzeit das deutsch-polnische Verhältnis. Während die vermeintliche oder tatsächliche Kränkung Becks eine innerdeutsche Angelegenheit ist, hat sich der "Kartoffel-Text" aus der taz mittlerweile zur Staatsaffäre ausgeweitet. Der neue Ministerpräsident Jaroslaw Kaczyñski und sein Zwillingsbruder Lech (Staatspräsident) sind über die taz-Beschreibung von Lech ("junge Kartoffel", die "ohne Trauschein" bei der Mutter lebe - siehe "Zitiert") so sauer, dass Jaroslaw "Schritte" von Berlin erwartet. Im Klartext: Kanzlerin Angela Merkel soll sich entschuldigen. Doch die denkt nicht daran. Niemals kommentiere die deutsche Regierung Medienberichte über ausländische Politiker, beschied Merkels Sprecher Ulrich Wilhelm. Das deutsch-polnische Verhältnis ist ohnehin nicht das allerbeste. Immer noch nagt Warschau an der deutsch-russischen Öl-Pipeline, die Ex-Kanzler Gerhard Schröder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin durchsetzte, worauf sich Polen übergangen fühlte.

Satire "gegen alles, was stockt und träge ist"

Die beiden Fälle haben in Deutschland wieder einmal eine Debatte um die Frage aufgeworfen: Wie weit darf Satire gehen? "Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt es übel", ätzte Tucholsky schon 1919 und beschrieb Satire so: "Die Satire beißt, lacht, pfeift und trommelt die große, bunte Landsknechttrommel gegen alles, was stockt und träge ist."

Seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 ist Satire durch die Meinungsfreiheit (Artikel 5, Absatz 1, Grundgesetz) und durch die Kunstfreiheit (Artikel 5, Absatz 3, Grundgesetz) geschützt. Allerdings gibt es auch den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Artikel 2, Absatz 1, Grundgesetz), demzufolge jeder Einzelne darüber entscheiden kann, wie er sich in der Öffentlichkeit darstellt. Die Spanne dazwischen ist schier unendlich.

Ziemlich teuer

Das bekommt in Deutschland vor allem Titanic zu spüren. Gegen das Magazin (gegründet 1979) wurde mehr als 40-mal geklagt, 28 Titel wurden verboten. Einer der spektakulärsten - und umstrittensten - Verrisse hat das Spaß-Blatt beinahe in den finanziellen Ruin getrieben: Im April 1993 zeigte Titanic den früheren SPD-Chef und damaligen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein Björn Engholm als Fotomontage in jener Badewanne des Genfer Hotels Beau Rivage, in der 1987 sein Vorgänger Uwe Barschel (CDU) tot aufgefunden worden war. "So nicht, Herr Engholm ...", titelte Titanic. "So nicht" befand aber auch das Gericht und verdonnerte Titanic zu einer Schmerzensgeldzahlung von 40.000 DM (20.452 Euro), dazu kamen noch einmal 190.000 DM (97.145 Euro) an Gerichts- und Anwaltskosten). (Birgit Baumann/DER STANDARD, Printausgabe, 12.7.2006)