Mon Dieu und Dio mio, das ging aber schnell. Materazzi war nur kurz das Opfer. Jetzt fragen sich alle, was er verbrochen hat. Ob er Zidane einen Terroristen genannt oder sich über ein weibliches Familienmitglied ausgelassen hat. Und Zidane war nur kurz, ganz kurz der Kretin, der die Beherrschung und seinem französischen Team ein WM-Finale verloren hat. Macht sich ein anderer als Zidane einer solchen Handlung schuldig, so landet er nicht im Palast bei Jacques Chirac, sondern wegen versuchter schwerer Körperverletzung im Gefängnis. Er kriegt nicht vom Präsidenten zu hören, dass er ein "Mann des Herzens, der Hingabe und der Überzeugung ist, den die Nation bewundert und liebt und respektiert". Er wird nicht bester WM-Spieler und wird nicht für den renommierten Prinz-von-Asturien-Preis vorgeschlagen, den Spaniens Kronprinz Felipe im Herbst verleiht.

Vielleicht steht dieser Zidane, was seine Marke und seine Zukunft betrifft, tatsächlich über jenem Zidane, der im finalen WM-Elfmeterschießen den entscheidenden Penalty versenkt hätte. Vielleicht spielt er ja doch weiter, vielleicht wird er Trainer, vielleicht Präsident. Mag sein, dass Zidane nun noch mehr Menschen als allen noch länger als ewig ein Begriff ist.

Die ganze Welt also will wissen, wie Zidane beleidigt wurde. Dabei tut es nichts zur Sache, die noch so tiefe Zwiesprache zwischen Fußballern ist so alt wie das Spiel selbst und eines ihrer letzten Geheimnisse. Am Ende werden sie hergehen und den Spielern Mikrofone umhängen. Zidane war nach vergebenen Chancen enttäuscht, müde und hatte Schmerzen. Er wurde sehr gereizt, zu sehr. Verständlich ist manches, nur vergessen sollte man nicht, wer hier wen wie ein Teufel rammte. Am Ende bleibt nicht die Bewunderung, sondern die Verwunderung. (DER STANDARD, Printausgabe, Mittwoch, 12. Juli 2006, Fritz Neumann)