Das schwarz-weiße Familienbild der ÖVP ist für das BZÖ dennoch kein Grund für einen Koalitionskrach.
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Wien - So schön kann Beziehung sein: Am Sonntag noch ärgerte sich BZÖ-Klubobmann Herbert Scheibner über das "versteinerte Familienbild der ÖVP aus dem vorigen Jahrhundert". Am Montag, als er mit ÖVP-Klubobmann Wilhelm Molterer traut bei der gemeinsamen Pressekonferenz zum Auftakt der Parlamentswoche beisammensaß, war alles nicht mehr so schlimm. "Das ist keine Krise, sondern ein natürlicher Akt. Wir sind ja schließlich keine Einheitspartei", sprach Scheibner. Auch Molterer verströmte Harmonie: "Das ist nichts weiter Schlimmes."

Paket unverändert

Inhaltlich blieb freilich jeder bei seiner Sichtweise: Die ÖVP will dem bereits akkordierten Familienpaket, das Justizministerin Karin Gastinger geschnürt hat, so nicht zustimmen, wie ÖVP-Justizsprecherin Maria Fekter am Sonntag im APA-Interview bekannt gab. Gastinger wiederum will das Paket unbeirrt - und unverändert - am Donnerstag im Ministerrat einbringen.

Was dann passieren wird, darüber scheiden sich die Geister. Laut Molterer sei der Hauptteil des Pakets "unumstritten", nur die "Generalklausel" zur geschlechtsneutralen Definition von Lebensgemeinschaften sei "ein Problem". Alles andere könne am Donnerstag beschlossen werden. Für Klubobmann Scheibner bedeutet das, "dass selbst, wenn die ÖVP sich an der Generalklausel stößt, noch wesentliche Teile des Pakets verabschiedet werden können": etwa die Abschaffung der "Morgengabe"oder die Streichung der "Widerlage", einer Art privater Witwenpension) oder auch die Absicherung der "Ehewohnung"im Scheidungsfall, aber auch Erleichterungen im Sorgerecht für Patchwork-Familien - vorausgesetzt, die Partner sind verheiratet. Nicht verheiratete Paare gelten als "Lebensgemeinschaft"- und genau gegen die Definition dieser Gemeinschaften (von Gastinger geschlechtsneutral formuliert) wehrt sich die ÖVP. Der Passus im Gesetzesvorschlag, der die Lebensgemeinschaft als "unverheiratete, auf längere Dauer beabsichtigte Partnerschaft von zwei im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen, die weitere Merkmale einer Solidar-, Geschlechts- und Wirtschaftsgemeinschaft aufweist", würde nämlich auch gleichgeschlechtliche Beziehungen einschließen. Das geht Fekter "viel zu weit und würde weitere rechtliche Probleme aufwerfen". Freilich ist das Diskriminierungsverbot von Homosexuellen EU-Recht und Österreich zur Schaffung gesetzlicher Normen verpflichtet. Mit ihrer späten Doch-noch-Weigerung habe die ÖVP jedenfalls erreicht, "dass das Thema so lange hinausgeschoben wird, bis sich in dieser Legislaturperiode gar nichts mehr ausgeht", wie sich SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim ärgerte.

BZÖ-Klubchef Scheibner sieht das anders: "Wenn man guten Willens ist, kann man einen guten Teil des Familienpakets noch vor den Wahlen einbringen", sagte Scheibner am Montag zum Standard.

Die Justizministerin selbst gibt den Kampf um ihr Paket noch nicht verloren: "Ich sehe das pragmatisch", sagte sie. Verwundert zeigte sie sich vor allem über die Tatsache, dass sich Fekter bei ihren Bedenken zur Generalklausel auf den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts bezieht. Dieser, so die ÖVP-Sprecherin, habe "Bedenken", denen sie sich anschließe: "Wir haben gedacht, damit lösen wir alle Probleme, aber in Wirklichkeit hat diese Klausel mehr Probleme aufgezeigt."

Keine Bedenken

Im Justizministerium will man "selbstverständlich verfassungskonform vorgehen". Allerdings: Die Stellungnahme des Verfassungsdienstes klingt freilich ganz und gar nicht bedenklich: "Zu Artikel 1, Lebensgemeinschaften: Mit diesem eigenständigen Artikel wird am Thema des vorliegenden Sammelgesetzes eine zentrale, neue Begriffsbestimmung eingeführt, die für den Bereich der Zivil- und Strafgesetze Geltung haben soll. In legistischer Hinsicht wird angeregt, diese Begriffsbestimmung in das ABGB aufzunehmen."

Gastingers Kabinettchef hat beim zuständigen Sektionsleiter im Verfassungsdienst nun brieflich angefragt, "ob es noch eine andere Meinung zum Thema Lebensgemeinschaften gibt? Wenn ja, würden wir sie bitte gerne aus erster Hand erfahren." (Petra Stuiber, DER STANDARD, Print, 11.7.2006)