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Dominique Perrault ist unter den hoch gehandelten Architekten dieser Welt ein vergleichsweise stiller, angenehmer Star. Der 53-jährige Franzose tritt ohne großes Getöse auf, pafft ruhig seine obligatorische Architektenzigarre, schaut nebstbei angenehmerweise wie George Clooneys kleiner Bruder aus und erklärt seine Architektur mit vernünftigen, nachvollziehbaren Argumenten.

Foto: APA/EPA/EFE/Toni Albir

Dieser Tage weilt er in Wien, denn im Architekturzentrum Wien (Az W) ist eben eine große Personale angelaufen, die Perraults künftige Werke veranschaulicht. "Meta-Buildings" zeigt Videos und Dokumentationen von vier international angesiedelten Großprojekten, die allesamt noch in Arbeit sind, doch anhand derer Perrault demonstrieren will, was er ist: "Ein französischer Architekt, der in Europa arbeitet und auf der ganzen Welt baut."

Foto: AzW/ Dominique Perrault Architecture

Warum die Schau in Wien gezeigt wird, liegt auf der Hand: Für den in den vergangenen Jahren entstandenen neuen Wiener Stadtteil auf der Platte am Donauufer hat Perrault zwei Hochhäuser entworfen. Die Donaucity bekommt mit diesen Doppel-Türmen quasi das I-Tüpfchen in die Skyline gesetzt: Einer der beiden Türme wird 215 Meter (56 Geschoße) hoch über die Szenerie ragen und somit zum derzeit höchsten Gebäude Wiens avancieren, der zweite Turm bringt es auch immerhin noch auf etwa 160 Meter (45 Geschoße) Höhe.

Foto: AzW/ Dominique Perrault Architecture

Inhalt: Hotels, Büros, hochklassige Wohnungen, Cafés, Restaurants und was man sonst noch alles für urbane Lebenssituationen braucht. Geplanter Baubeginn: Sommer nächsten Jahres. Angepeilte Fertigstellung des höheren Turmes ist 2010, je nach Marktsituation wird der zweite Turm ein bis zwei Jahre später fertig gestellt sein.

Foto: AzW/ Dominique Perrault Architecture

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Wie sehen die Dinger also aus? Perrault: "Stellen Sie sich einen Block vor, einen Block, der in zwei Teile geschnitten ist - und den Raum zwischen den beiden Türmen: das ist das neue Tor in den Stadtteil. Es geht nicht nur darum, einen Turm zu bauen, und noch einen zweiten dazuzustellen, sondern es geht um den Dialog zwischen den beiden Häusern, und den Ort, an dem sie stehen. Alles soll ein Gefühl der Offenheit für die Stadt vermitteln. Das ist die Idee."

Foto: APA/ Dominique Perrault Architecture

Vor dieser nunmehr finalen Idee gab es allerdings bereits eine andere, und zwar die, den zweiten Turm von den Schweizer Kollegen Jacques Herzog und Pierre de Meuron planen zu lassen. Doch die hatten den "Dialog" mit Perrault nicht bewerkstelligt, waren zu solitär und architekturstarmäßig geblieben und schließlich kurzerhand vom Bauherren WED verabschiedet worden. Deren Chef Thomas Jakoubek sieht die Angelegenheit unemotional, obwohl doch einiges an Planungsgeld und Zeitverlust zu beklagen sein dürfte: "Die beiden Einzelobjekte waren zwar schon völlig durchgeplant, da aber das Resultat nicht überzeugt hat, haben wir es schmerzlicherweise doch verworfen und einen Neuanfang gemacht."

Foto: AzW/ Dominique Perrault Architecture

Der dürfte sich langfristig bezahlt machen. Die neuen Doppeltürme sind solide, anständige Hochhäuser, sie sind nicht zickig-exaltiert, sondern wie aus einem Guss in die Szenerie gepflanzt. Sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach der Plattenbebauung jenen optischen und formalen Anker geben, den die Platte dringend braucht, um zu einem eigenständigen Charakter zu kommen. Doch alles braucht seine Zeit - kein neues, funktionierendes Stadtviertel wurde über Nacht aus dem Boden gestampft, wenn die Sockel- und Erdgeschoßzone jetzt auch noch mit Sorgfalt und Überlegung in das Umfeld eingepasst werden kann, wird alles gut gehen.

Foto: AzW/ Dominique Perrault Architecture

Perrault hat auch in Wien, wie überall, wo er baut, ein Partnerbüro, das sich mit den lokalen Gegebenheiten auskennt: Die Kollegen Hoffmann und Janz sind sozusagen die dringend benötigte architektonische Verankerung vor Ort, denn Perrault ist, so ruhig er scheint, in einer Art Dauerlauf rund um den Globus unterwegs.

In Seoul baut er derzeit das EWHA Woman's University Campus Center. Geplante Fertigstellung des enormen Areals für 20.000 Studentinnen ist 2007, und - wie man das von Perrault kennt - ein Teil des Gebäudes ist in der Parklandschaft eingegraben. Dieser Kunstgriff ist das Markenzeichen des Architekten. Er hat ihn bereits in Berlin angewandt, wo er ein Radstadion und eine Schwimmhalle teils versenkte, und auch jenes Projekt, das ihn als erst 36-jährigen Architektur-Jungspund über Nacht bekannt machte, entspricht diesem Konzept: Die Französische Nationalbibliothek in Paris.

Foto: AzW/ Dominique Perrault Architecture

Perrault erklärt, warum er mit dem traditionellen Architektur-Kanon von Fassade, Dach, Fenster, Portal nichts am Hut hat, sondern Gebäude vielmehr als städtische Landschaften versteht, die multifunktional nutzbar und von allen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt in irgendeiner Weise verwendbar sind: Jede errichtete Mauer, so meint er, wäre ein autoritärer Akt, der den Raum zerschneide, und den man sich daher ganz genau überlegen müsse.

Foto: AzW/ Dominique Perrault Architecture

Die Idee, den Menschen eine architektonische Landschaft zu bieten, nimmt auch in St. Petersburg gerade Form an. Das neue Mariinsky-Theater, das 2009 fertig gestellt sein soll, ist eine wilde Konstruktion neben dem bereits bestehenden Theater, ein Parcours durch Säle, Foyers, Cafés, umhüllt mit einer Art Netz. Und - es ist das erste mit öffentlichen Geldern finanzierte Gebäude Russlands, das nach demokratischen Wettbewerbsprinzipien entsteht.

Foto: AzW/ Dominique Perrault Architecture

Geht es nach Perrault, so sollen die Menschen, die das Haus immerhin mit Steuergeldern finanzieren, auch etwas von der Architektur haben, wenn sie nicht gerade einer Opernaufführung beiwohnen: "Jeder zahlt Steuern für öffentliche Gebäude, aber wenn du kein Ticket hast, keine Eintrittskarte, dann bleibst du draußen. Wenn ich also ein Gebäude wie die Oper in St. Petersburg baue, will ich, dass alle Leute davon profitieren: Man soll hineingehen können, einen Kaffee trinken, ein Meeting haben und Ausstellungen anschauen. Man muss nicht unbedingt Eintritt zahlen, aber ich kann mein eigenes persönliches und intimes Gefühl dem Haus gegenüber entwickeln - denn es ist nicht verschlossen, es gibt öffentliche Zonen, ich kann durchgehen."

Foto: AzW/ Dominique Perrault Architecture

Das vierte im Az W gezeigte Projekt ist das Olympische Tennis-Stadion in Madrid (Fertigstellung: 2008), das ebenfalls in eine bestehende Parklandschaft integriert wird und von einem luftdurchlässigen Metallgewebe umspannt ist, auf dass sich die Parklandschaft atmosphärisch bis in das Gebäudeinnere fortsetze.

Foto: AzW/ Dominique Perrault Architecture

Dominique Perrault verkörpert den vagabundierenden Weltarchitekten par excellence. Er unterhält überall, wo er baut, Büros mit lokalen Partnerarchitekten, reist stets und ständig, versteht es dabei aber, die Solidität der europäischen Architekturkultur als wichtiges Exportgut zu vermarkten: "Die Idee dieser Ausstellung ist es, große und wichtige Projekte miteinander zu vergleichen. In Osteuropa, Südeuropa, Russland, Asien. Wir wollen damit zeigen, wie wir arbeiten - nicht in einem internationalen Stil, sondern in unserem Stil, mit dem wir unsere Kultur erhalten."

Foto: AzW/ Dominique Perrault Architecture

Ohne Partner, das weiß er, wäre er lediglich die Pfauenfeder, die sich Investoren und Auftraggeber an den Hut zu stecken pflegen: "Ich habe ein fantastisches Leben, denn ich bin nicht allein. Die Idee, Architekten sollten allein entwerfen, ihre Projekte allein durchziehen, ist dumm und langweilig. Ich mag das nicht. Ich ziehe es vor, zu reisen, mit anderen Leuten auf der ganzen Welt zusammenzuarbeiten und gemeinsam Neues zu erschaffen." (Ute Woltron/ALBUM/DER STANDARD, Printausgabe, 8./9.7.2006)
architektur@derStandard.at

Ausstellung "Meta-Buildings"
Az W - Architekturzentrum Wien, bis 30.10.2006

Link: Dominique Perrault Architecture

Foto: perraultarchitecte.com/